Bürgerinnen und Bürger geben Kunst in Auftrag
"Kunst im Bürgerauftrag" ist ein kultur-, sozial- und stadtpolitisches Handlungsmodell, das das kulturelle Leben in der Stadt ergänzen und bereichern kann. "Kunst im Bürgerauftrag" - das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger in Eigeninitiative gemeinnützige, öffentliche und nicht kommerzielle Kulturgüter in Auftrag geben. Damit grenzt sich diese Form von "Kunst im öffentlichen Raum" ab, die oftmals von Verwaltungen beauftragt wird. Zudem sollen Kunstwerke im Bürgerauftrag die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger darstellen. Es finden sich Menschen zusammen, die in ihrer Kommune oder Nachbarschaft für ein dringendes, öffentlich relevanten Anliegen oder ein Thema eintreten wollen.
Initiative "Neue Auftraggeber"
Unterstützung erfährt die Kunst im Bürgerauftrag in Deutschland von der Initiative "Neue Auftraggeber": Diese stellt Mediatoren zur Verfügung, die die Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, zu Auftraggeberinnen und Auftraggebern für bedeutende Kunstwerke oder -projekte zu werden. Die Kulturstiftung des Bundes hat von 2017 bis 2022 die Pilotphase der "Neuen Auftraggeber" gefördert. Die Mediatoren unterstützen bei der Suche nach für das jeweilige Projekt geeigneten Künstlerinnen und Künstlern und begleiten den Beteiligungsprozess bis zur Umsetzung des Entwurfs.
Das Modell orientiert sich an der 1990 in Frankreich entwickelten französischen Initiative "Les Nouveaux Commanditaires". International renommierte Künstlerinnen und Künstler aller Sparten werden damit beauftragt, Kunstwerke für das unmittelbare Lebensumfeld dieser neuen Auftraggeber zu schaffen. Durch diesen neuen Ansatz kann jede und jeder zur Auftraggeberin oder Auftraggeber für zeitgenössische Kunst aller Sparten werden.
Verstetigung des Modells sinnvoll
Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben sich für eine Verstetigung des erfolgreichen Ansatzes der neuen Auftraggeber ausgesprochen, durch den Projekte sowohl in Städten als auch im ländlichen Raum realisiert werden konnten. Der Bottom-Up-Ansatz stellt eine Bereicherung für das kulturelle Leben wie auch für die Engagemententwicklung in den Kommunen dar. Nach Abschluss der Pilotphase steht nunmehr das Team der Neuen Auftraggeber für neue Projekte zur Verfügung. Zum Aufruf der Neuen Auftraggeber zur Nutzung des Modells.
Beispiele aus den Kommunen
In einer Reihe von Städten und Gemeinden wird der neue Ansatz bereits umgesetzt: Eine Auswahl von Beispielen gibt es auf der Website der Initiative "Neue Auftraggeber".
Beispiel Kiel
Das jüngste Beispiel stammt aus Kiel: Die Landeshauptstadt setzt das Modell Neue Auftraggeber Im Stadtteil Mettenhof um. Die Stadt startet einen auf drei Jahre angelegten Teilhabeprozess für ein öffentliches Kunstwerk, beauftragt von den Anwohnerinnen und Anwohnern und begleitet von Mediator Pascal Simm. In Verbindung mit dem Stadtteil und im Sinne der Gemeinschaft soll der Auftrag ortsspezifische lokale Themen, Wünsche, drängende Anliegen oder Herausforderungen aufgreifen.
Welche Art von Kunstwerk am Ende entstehen wird und an welchem konkreten Ort in Mettenhof dieses seinen Platz findet, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger. Von einem neuen Wahrzeichen Kiels in Form einer großen Skulptur über Stadtmöbel, Architektur, Urban Art, Malerei, Installation, Fotografie, Tanz- oder Theateraufführungen, Performance, Literatur, Musik, Film bis hin zu Design oder doch wissenschaftlichen Forschungsaufträgen ist alles möglich.
Kunsthistoriker, Kurator und Kunstvermittler Pascal Simm wird die Menschen in der peripher gelegenen Großwohnsiedlung bei ihrem Auftrag begleiten. Der Mediator im Netzwerk der Neuen Auftraggeber berät sie dabei, einen Auftrag für Mettenhof zu formulieren und eine passende Künstlerpersönlichkeit zu finden, die auf die Belange der Mettenhoferinnen und Mettenhofer reagiert.
Der Kunstbeirat der Landeshauptstadt Kiel hat die Durchführung des Projekts angestoßen. Der in Kiel ansässige Verein Netzwerk für interkulturellen Austausch von Shi Shi und Ying-Chih Chen begleitet den Prozess als Träger und unterstützt bei der Vernetzung aller Beteiligten. Als Partner des Netzwerks Neue Auftraggeber stellt er auch Räume zur Verfügung, hilft bei den Organisationen von Projektveranstaltungen und bringt sich mit seiner Expertise und seinen Kontakten als leicht ansprechbarer Akteur der Kieler Kulturszene ein.
Beispiel Mönchengladbach
Ein Projekt aus der Pilotphase, das inzwischen bereits fertiggestellt wurde, ist "Ein Garten mit Brücken" in Mönchengladbach. Für den Garten des Arbeitslosenzentrums wurde ein Projekt beauftragt, das den Anspruch auf gesellschaftliche Öffnung und die Besinnung auf die sozialen Wurzeln der Stadt sichtbar machen sollte. Der Garten mit Brücken der Künstlerin Ruth Buchanan wurde am 7. Mai 2023 eröffnet. Initiatoren der Initiative waren das Stiftische Humanistische Gymnasium und das benachbarte Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach e.V. Im neu gestalteten Garten des Zentrums sollen sich nicht nur Schülerinnen und Schüler sowie Besucherinnen und Besucher des Zentrums treffen, sondern es soll Raum für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt entstehen.