Energiesicherung
05.05.2022

Änderung des Energiesicherungsgesetzes, Öl-Embargo und Informationen zur Lage

Mit der Novellierung des Energiesicherungsgesetzes trifft die Bundesregierung weitere Vorsorgemaßnahmen. Zur Frage der Öl-Importe hat die EU-Kommission gestern ein Öl-Embargo gegen Russland beschlossen.

Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche die Änderung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) beschlossen. Das Gesetz soll in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden. Der Städtetag beurteilt die Novellierung als einen weiteren wichtigen Schritt, um für den Krisenfall Vorsorge zu treffen. Die Bundesregierung plant zudem, zahlreiche Verordnungs-Ermächtigungen zu schaffen, beispielsweise zu möglichen Vorgaben zu Bevorratung, Verwendung und Einsparung und Reduzierung des Verbrauchs (§ 1 E-EnSiG).

Zentrale Regelungen des Energiesicherungsgesetzes

Das angedachte Recht zur Preisanpassung bei verminderten Gasimporten (§ 24 E-EnSiG) kann neben anderen Maßnahmen Liquiditätsverwerfungen verhindern und so ein sinnvoller Baustein sein. Die Möglichkeit zur Preisweitergabe greift erst nach Ausrufen der Alarm- oder Notfallstufe. Als Maßnahme dürfte sie erforderlich sein, wenn die Kosten einer Wiedereindeckung bei einem Lieferstopp oder im Vorfeld drastisch steigender Preise nicht durch andere Stützungsmaßnahmen (Zuschüsse und Kredite) aufgefangen werden. Regelungsbedarf besteht auch für den Einsatz von Erdgas zur Strom- und Wärmeproduktion, sonst drohen den betroffenen Unternehmen als Endkunden von Gas hohe Kostensteigerungen, ohne selbst die Preise an ihre Wärmekunden weitergeben zu können.

Neu eingeführt werden die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der kritischen Infrastruktur und als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung (§§ 17 ff E-EnSiG). Wichtige Regelungen sind zudem die Einführung einer digitalen Plattform für Erdgas (§ 2a EnSiG und GasSV) und die Anpassung an den Solidaritätsfall nach der SoS-Verordnung der EU. Kommt es zu einer Versorgungskrise in einem EU-Staat, können die benachbarte Mitgliedstaaten verpflichtet werden, bei der Versorgung unterstützend einzuspringen.

Szenario Gasmangellage

Die Verfügbarkeit und der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und in der Wärmeversorgung sind nach Aussagen der Bundesregierung bis auf weiteres gesichert. Die Lage dürfte sich im Fall einer Lieferunterbrechung spätestens mit der nächsten Heizperiode ändern. Eine Substituierung russischen Erdgases durch LNG und anderes Pipeline-Gas dürfte nach Angaben der Bundesregierung erst im Lauf des Jahres 2024 erreichbar sein.

Insofern besteht bei gasbasierter und auch kohlebasierter Energieversorgung ein erhöhtes Risiko für Versorgungsengpässe aufgrund nicht direkt substituierbarer russischer Lieferungen (aktuell bei Erdgas rund 35 % Anteil und bei Kohle rund 25 % russischer Lieferungen). Im Fall eines Lieferstopps ist eine – mutmaßlich um einige Monate zeitversetzte – Mangellage die zwingende Folge.

Rolle der Bundesnetzagentur im Krisenfall

Wir haben uns für den Fall eines Lieferstopps dafür ausgesprochen, unmittelbar die Notfallstufe des Notfallplans Gas auszurufen. Damit wird die Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Bundeslastverteiler; die entsprechenden Regelungen aus EnSiG und GasSV greifen. Der Notfallplan Gas konkretisiert das Krisen- und Vorsorgemanagement und beschreibt die Sicherstellung der Versorgung von geschützten Kunden. Für deren Erdgasversorgung sind die Versorgungsunternehmen gemäß § 53a EnWG auch in einer Mangellage verantwortlich und hierfür auch zu entsprechender Vorsorge gesetzlich verpflichtet.

Geschützte Kunden nach § 53a EnWG sind:

  1. Letztverbraucher im Erdgasverteilnetz, bei denen standardisierte Lastprofile Anwendung finden, oder die Letztverbraucher im Erdgasverteilnetz, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern und zwar zu dem Teil, der hier benötigt wird.
  2. Grundlegende soziale Dienste im Sinne des Art. 2 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2017/1938 im Erdgasverteilnetz und im Fernleitungsnetz
  3. Fernwärmeanlagen, soweit sie Wärme an Kunden im Sinne von Buchstabe (a) und (b) liefern, an ein Erdgasverteilnetz oder ein Fernleitungsnetz angeschlossen sind und keinen Brennstoffwechsel vornehmen können und zwar zu dem Teil, der für die Wärmelieferung benötigt wird.

Haushaltskunden sind Letztverbraucher, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt nutzen oder deren Jahresverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke 10.000 Kilowattstunden nicht übersteigt.

Vorbereitungen einer Abschaltreihenfolge

Die Bundesnetzagentur hat inzwischen die Befragung der Netzbetreiber zu den Verbrauchs- und Lastprofilen der an die Netze angebundenen großen Letztverbraucher mit einer Anschlussleistung größer als 10 MWh begonnen. Eine weitere Umfrage der BNetzA konzentriert sich auf die RLM-Kunden, also die Industrie- und Gewerbekunden mit hohem Energieverbrauch. Die Umfragen dienen der Vorbereitungen einer Abschaltreihenfolge innerhalb des Kreises der ungeschützten Kunden.

Würde der aktuell 35-prozentige russische Anteil an den Gasimporten wegbrechen, wäre die Industrie mit ihrem 36-prozentigen Anteil am Gasverbrauch innerhalb der nicht geschützten Kunden zum großen Teil betroffen:

Zu beachten ist, dass die regionalen Gegebenheiten im Gasbezug sehr unterschiedlich sind. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass es periodisch und regional auch im Bereich der geschützten Kunden zu einer Gasmangellage kommen kann.

Wir drängen darauf, dass die Bundesnetzagentur sowohl innerhalb der geschützten als auch nicht geschützten Kunden Priorisierungsvorgaben für diese Lage vorbereitet. Zu bedenken ist außerdem, dass den Gasverteilernetzbetreibern – anders als der Bundesnetzagentur in der Notfallstufe – keine ausreichenden Instrumente zur Verfügung stehen, um Verbrauchsreduktionen oder Abschaltungen gegenüber Letztverbrauchern auch zwangsweise durchzusetzen. Hier besteht dringender Klärungsbedarf.

Absicherung der Liquidität der kommunalen Energieversorgungsunternehmen

Für uns bleibt wichtig, dass alle kommunalen Energieversorgungsunternehmen unter den Schutzschild der Bundesregierung fallen (siehe Rundschreiben vom 22. April 2022). Es muss durch passgenaue staatliche Hilfen in Form von Krediten bzw. Zuschüssen sichergestellt sein, dass die kommunalen Unternehmen eine wirtschaftliche Schieflage kurzfristig überwinden können. Außerdem sollte im Falle eines Lieferstopps russischen Gases eine vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Energieversorgungsunternehmen vorgesehen werden, sofern die Gefahr einer Überschuldung besteht.

EU-Kommission hat Öl-Embargo beschlossen

Die EU-Kommission hat gestern ein neues Sanktionspaket beschlossen. Damit soll das erwartete Öl-Embargo gegen Russland auf den Weg gebracht werden. Es ist davon auszugehen, dass die Mitgliedsstaaten diesem sechsten Sanktionspaket zustimmen. Das Paket sieht ein Einfuhrverbot für Rohöl nach einer Auslaufphase von sechs Monaten und ein Einfuhrverbot für Ölprodukte nach einer Auslaufphase von acht Monaten vor.

Deutschland konnte seine Abhängigkeit von russischem Öl in den vergangenen Monaten erheblich reduzieren. Dennoch werden Preissprünge erwartet und auf die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher werden Zusatzkosten zukommen.

Entlastungspaket für Verbraucherinnen und Verbraucher

Das bereits im März vom Koalitionsausschuss beschlossene zweite Entlastungspaket für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist Ende April mit einem Nachtragshaushalt im Bundeskabinett beschlossen worden. Es sieht folgende Maßnahmen vor:

Bundestag und Bundesrat werden die notwendigen gesetzlichen Änderungen am 19. und 20. Mai 2022 beraten. Die einmalige pauschale Entlastung von 300 Euro für alle Erwerbstätigen soll im Herbst kommen.

Schutzschild der Bundesregierung für vom Krieg betroffene Unternehmen

Für Unternehmen, die besonders von den Auswirkungen des Krieges betroffen sind, haben das Bundeswirtschaftsministerium und des Bundesfinanzministerium vor Ostern ein Maßnahmenpaket "Schutzschild der Bundesregierung für vom Krieg betroffene Unternehmen" vorgelegt (siehe unser Rundschreiben vom 22. April 2022). Die ersten beiden Stränge des Paketes "Bund-Länder-Bürgschaftsprogramm" und "KfW-Kreditprogramm" sind vorgestern veröffentlicht worden. Detaillierte Informationen hierzu finden Sie auf den Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums.