Städtetag aktuell 5|2025
23.10.2025

Die Stadt denkt mit: KI gegen Klimaextreme

Von Dr. Christine Wilcken, Deutscher Städtetag

KI-Modelle gegen Klimaextreme: Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, Extremwetterlagen und ihre Folgen verlässlich einzuschätzen.

Starkregen, Sturm, Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände: Extreme Wetterereignisse kommen in immer schnellerem Takt. Sie sind bedrohlich für uns Menschen. Die volkwirtschaftlichen Kosten gehen in die Milliarden. Künstliche Intelligenz macht es heute möglich, riesige Datenmengen in Sekunden zu analysieren: Klimamodelle werden schneller, Wettervorhersagen verlässlicher. Je genauer wir Extremwetter verstehen, desto gezielter können wir vorsorgen und damit widerstandsfähiger werden. Technische Lösungen sind dabei nicht alles.

KI ist ein echter Wendepunkt

KI-Methoden können heterogene Datenquellen wie Pegel, Bodenfeuchte, Sensornetzwerke oder Satellitenbilder in Echtzeit auswerten und daraus lokale Risikoabschätzungen und Handlungsempfehlungen ableiten. Künstliche Intelligenz kann damit auf verschiedenen Ebenen einen entscheidenden Beitrag leisten – von der Vorhersage und Prävention bis hin zur akuten Krisenbewältigung.

So verwundert es nicht, dass sich die Wissenschaft, Forschung, Start-Ups und auch Städte und Regionen aufmachen, KI-Klimamodelle zu entwickeln. Mit einem neuen KI-gestützten Vorhersagesystem besteht in der Städteregion Aachen die Möglichkeit, mit einem Vorlauf von drei Stunden sehr konkret vorherzusagen, wie hoch das Wasser an einzelnen Stellen steigen wird und wohin sich Wasser bewegt. Ein Geschenk für den Katastrophenschutz. Das Programm greift auf eine Vielzahl von Datenquellen zu – von neuesten Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes bis hin zu Gelände- und Bodendaten.

Für das gegenteilige Extrem der Dürre berechnet ein neues KI-Modell der Universität Freiburg und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Freiburg als Pilotstadt erstmals hochauflösend und über längere Zeiträume, wie sich die Hitzebelastung einer Stadt zukünftig pro Quadratmeter entwickeln wird. Das KI-System kombiniert Geodaten wie Gebäudehöhen, Vegetationsstrukturen und Bebauungspläne mit Wettervorhersage- oder Klimaprojektionsdaten wie Lufttemperatur und Strahlung.

Eine Vielzahl von KI-Modellen weltweit können mit Hilfe digitaler Zwillinge bereits so simulieren, wie sich Klimafolgen ganz konkret in verschiedenen Stadtteilen auswirken. Diese Informationen fließen in klimaangepasste Stadtplanung ein: Begrünte Dächer, Frischluftschneisen können gezielt dort geplant werden, wo sie am meisten bewirken. Nicht zuletzt kann KI dazu beitragen, besonders gefährdete Gruppen zu identifizieren. Chatbots oder Sprachassistenten können in mehreren Sprachen informieren, warnen oder unterstützen.

KI lernt. Wir auch.

Schon heute sind die Möglichkeiten fesselnd und noch lange nicht am Ende. Ein großer Gewinn für die Städte und die Menschen sind präzisere Vorhersagen. Vorwarnzeiten verlängern sich, Einsätze können gezielter koordiniert werden. KI ermöglicht Bilder und Fakten über räumliche Entwicklungen, Maßnahmen und Wirkung. Sie kann damit langfristige Anpassungsentscheidungen erleichtern und Entscheidungsgrundlagen für die erheblichen Klima-Investitionen verbessern, zum Beispiel für Retentionsflächen, Kanalmodernisierung, wasserdurchlässige Straßenbeläge oder Begrünung.

Zugleich sind die schier unendlichen technischen Potenziale nur dann sozial und rechtlich tragfähig, wenn die kommunale Handlungsfähigkeit stark bleibt. Datenhoheit, algorithmische Fairness und technologische Unabhängigkeit, Auditierbarkeit, Interoperabilität und Qualifizierung von Personal sind die Schlagworte. Ohne diesen Rahmen drohen Insellösungen, Datenschutz- und Haftungsprobleme sowie eine ungleiche Verteilung der technologischen Vorteile zwischen großen und kleinen Städten. KI-Lösungen müssen inklusiv und zugänglich für alle Stadtbewohnerinnen und -bewohner gestaltet sein – nicht nur für technologisch affine Gruppen.

Fazit: Smarte Städte sind klimaresiliente Städte

KI bietet enorme Chancen. Sie macht urbane Räume intelligenter, flexibler und widerstandsfähiger. Kommunale Beispiele zeigen, dass verwaltungsnahe Projekte mit wissenschaftlicher Begleitung und politischer Steuerung bereits heute wirksame Instrumente liefern, die unsere Städte nutzen können. KI ist aber nicht grenzenlos. Sie muss mit klarer Governance, Datenschutz- und Interoperabilitätsregeln sowie ausreichend finanzieller und personeller Unterstützung flankiert werden. Nutzung und Umgang mit KI werden wie die Digitalisierung zur Daueraufgabe. Entscheidend ist, dass Technologie mit nachhaltiger Stadtentwicklung, politischem Willen und gesellschaftlicher Teilhabe und Mitgestaltung Hand in Hand geht. Die Stadt ist der Ort der Menschen. Das muss sie bleiben.

Dr. Christine Wilcken
Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Deutscher Städtetag, Beigeordnete für Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 5|2025, Schwerpunkt KI in Kommunen

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