Städtetag aktuell 4|2025
25.08.2025

Wie sich Städte auf Katastrophen vorbereiten

Interview mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung

Die Städte sind erprobte Krisenmanager – doch die Vielzahl an Krisen und Bedrohungen unserer Zeit, erfordert immer bessere Anpassungen. Hochwasser, Dürren, Starkregen treten häufiger und intensiver auf. Hinzu kommen hybride Bedrohungen: Cyberattacken, Drohnenspionage, Anschlagspläne. Städtetag aktuell hat dazu den Präsidenten des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, befragt.

Was unternehmen Städte wie Leipzig für einen zeitgemäßen Katastrophen- und Bevölkerungsschutz und was brauchen sie?

Wir sehen in Leipzig – wie in allen Kommunen in Deutschland – dass der Katastrophenschutz ganz neu ins Blickfeld gerät. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 reden wir beim Bevölkerungsschutz nicht mehr nur über Naturkatastrophen oder technische Unglücke. Wir erleben in Europa wieder eine reale militärische Bedrohung, und an diesen Gedanken müssen wir uns 35 Jahre nach Ende des Ost-West-Konflikts erst wieder gewöhnen.

Neben Personal, Geld und Infrastruktur braucht es vor allem das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass Gefahren – auch militärische– real sind. Und der beste Bevölkerungsschutz ist die Vorsorge, die jeder für sich selbst trifft. Im Katastrophenfall, nehmen wir den Blackout als Beispiel, werden Behörden und Rettungsorganisationen nicht jedem helfen können. Das ist die Realität. Jede private Vorsorge hilft, die Rettungskräfte zu entlasten.

In Leipzig erarbeiten wir zurzeit einen Notfallplan, der alle Bereiche der Verwaltung einschließt. Bleiben wir beim Blackout: Das ist nicht nur eine Aufgabe für Feuerwehr und Rettungsdienst, sondern hier müssen viel mehr Beteiligte mitgedacht werden. Wie geht ein Veterinäramt mit Viehbeständen um, die nicht mehr versorgt werden können? Wie organisieren wir den Verkehr? Und wie informieren wir die Bevölkerung, wenn in einer digitalen Welt die Handybildschirme schwarz bleiben?

    
   
Jede private Vorsorge hilft, die Rettungskräfte zu entlasten.

Katastrophenschutz und Bevölkerungsschutz ist Teamarbeit. Wer muss mit den Städten gemeinsam an einen Tisch und was muss geschehen, damit wir ausreichend vorbereitet sind?

Zunächst ist das in Deutschland ja gut geregelt: Katastrophenschutz ist Angelegenheit der Länder und Kommunen. Und es gibt den Zivilschutz, der bei militärischen Konflikten greift und in Zuständigkeit des Bundes liegt. Der Zivilschutz war in den zurückliegenden Jahrzehnten vor allem durch Rückbau geprägt. In Europa herrschte Frieden, eine militärische Bedrohung war jenseits unserer Vorstellung, man sah daher keine Notwendigkeit, die Strukturen des Zivilschutzes zu stärken. Mein Eindruck ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen hier noch nicht an dem Punkt ist, wo sie sein müsste.

Ich gebe ein Beispiel: Im Katastrophenfall sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet, behördliche Warnmitteilungen zu senden. Ist dies bei einem Blackout wirklich gewährleistet? Wie lange könnten die Anstalten ohne Stromnetz arbeiten? Wie autark sind die Sender versorgt? An diese Fragen müssen wir uns erst herantasten, die Verantwortlichen müssen an einen Tisch.

Die aktuelle Bedrohungslage verunsichert Bürgerinnen und Bürger, geht aber gleichzeitig alle an. Wie können die Städte die Menschen zu mehr Umsicht und Vorsorge anhalten?

Diese Frage spricht auf das zentrale Spannungsfeld der Katastrophenvorsorge an. Die Menschen müssen vorbereitet sein, dürfen aber nicht panisch werden. Aber vielleicht ist das gar kein Gegensatz. Ich glaube eher, dass Menschen dann nicht in Panik verfallen, wenn sie vorbereitet sind.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt seit jeher Tipps und Empfehlungen, wie sich jeder einzelne auf Notlagen vorbereiten kann. Dazu gehört zum Beispiel ein Notgepäck. Das ist ein fertig gepackter Rucksack mit dem Lebensnotwendigen, inklusive Dokumenten, Wasser, Verbandszeug. Diese Hinweise wurden bisher belächelt. Aber im Notfall sind sie entscheidend, sie helfen jedem einzelnen. Und es entlastet Feuerwehr und Rettungsdienste, wenn sich Menschen selbst versorgen können. Dieses Bewusstsein müssen wir in die Bevölkerung tragen.

Wir machen das in Leipzig zum Beispiel mit dem Florianstag, den die Feuerwehr einmal pro Jahr ausrichtet und bei dem sie auch zum Thema Katstrophenschutz informiert. Aber das reicht nicht aus. Bund, Länder und Kommunen werden hier mehr Anstrengungen unternehmen und die Bevölkerung besser informieren müssen. Wenn der Notfall da ist, ist dafür keine Zeit mehr. Die Vorbereitung muss jetzt starten.

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 4|2025, Schwerpunkt Bevölkerungsschutz

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