Plötzlich war sie weg ... Dresdner Krisenkommunikation nach dem Einsturz der Carolabrücke
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D. Petters
Knifka: Kurz nach 3:00 Uhr am 11. September 2025 klingelt mein Handy. Am anderen Ende: Feuerwehr-Pressesprecher Michael Klahre. "Du, kein Scherz, ein Teil der Carolabrücke liegt in der Elbe." Ich bin sofort hellwach. Zehn Minuten später fahre ich Richtung Dresden. Es beginnt ein Tag, der trotz Krisenvorsorge nicht planbar war. Kurz nach 4:00 Uhr stehe ich am Elbufer. Es ist nicht zu fassen.
Wie ein breites V liegt einer von drei Brückenzügen aus massivem Stahlbeton im Fluss. Die Straßenbahnschienen hängen in der Luft. Am Ufer liegen noch Reste der zerfetzten Fernwärmeleitung, die in der Brücke verlief.
Klahre: Wir sind bereits 4:12 Uhr in die Kommunikation eingestiegen und senden den ersten Post auf Threads: Der Brückenteil der Carolabrücke, auf welchem die Straßenbahn fährt, ist auf einer Länge von etwa 100 Metern in die Elbe gestürzt. Der gesamte Bereich um die Carolabrücke, die Bundeswasserstraße Elbe sowie der Elberadweg und das Terrassenufer sind für den Verkehr komplett gesperrt. Der Berufsverkehr beginnt, es gibt erste Presseanfragen. 5:37 Uhr geht die erste Pressemeldung raus. Zudem informieren wir auf unserer Internetseite dresden.de, auf die Feuerwehr und Pressestelle im Krisenfall gemeinsam Zugriff haben. Bespielt wird sie jeweils von der Seite, die über aktuelle Details und Ressourcen verfügt. Das geht nur mit Vertrauen und Routine.
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M. Klahre / B. Knifka / D. Petters / L. Kirsten
6:00 Uhr: Lagebesprechung und gemeinsames Nachdenken. Wir stimmen Prioritäten und Themen ab, aktivieren weitere Manpower. Die Herausforderungen sind klar: Eine wichtige Verkehrsader ist weg, es ist der 11. September – ein Datum mit Raum für Vermutungen. Was ist passiert? Warum brach die Brücke ein? Noch wissen wir das nicht. Was wir wissen: Die Fernwärme in Dresden ist komplett ausgefallen. Und was im Hinterkopf wartet: Ein Elb-Hochwasser ist für die nächsten Stunden und Tage angekündigt. Die letzten Wettermodelle wirken beunruhigend.
7:19 Uhr: Stadt und Feuerwehr laden gemeinsam zur ersten Pressekonferenz ein. Relevante Kommunikationspartner sind kontaktiert. Wir bündeln Antworten auf möglichst viele Fragen: Energieversorgung, Nahverkehr, Schifffahrt, Straßen- und Tiefbauamt und Polizei.
9:00 Uhr: Alle Fachleute stehen am Anleger 7 der Sächsischen Dampfschifffahrt am Terrassenufer, im Hintergrund die zerstörte Brücke. Das Medieninteresse ist gigantisch – nationale und internationale Medien, TV, Radio, Print, Agenturen, Online-Portale. Mit diesem ersten Termin starten wir eine Routine, die wir die nächsten Tage beibehalten – regelmäßige Kommunikation vor Ort. So haben die Expertinnen und Experten Zeit für ihre Arbeit, und wir bündeln derweil die Medienwünsche und Themen. Die Pressetermine werden live gestreamt. In der Folge gibt es täglich mindestens einen Pressetermin, dann wöchentliche Updates. Aktuell kommunizieren wir den zügigen Abriss und den Neubau.
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D. Petters / B. Knifka / D. Petters
Fazit: In Deutschland bricht eine Brücke ein. Es dauert etwas, bis dieses nicht für möglich geglaubte Szenario als neue Wirklichkeit in den Köpfen ankommt. Bei uns selbst vor Ort, in den Medien von regional bis international. Doch recht schnell wird klar: Das Unglück birgt auch eine Chance, die Sicherheit von Brücken neu zu betrachten, Fehler zu untersuchen, Ursachen zu finden und Prüfregularien anzupassen.
Über den Brückeneinsturz und seine direkten Folgen aufzuklären, haben wir geschafft. Strategischer Fokus war eine engmaschige Kommunikation aller Schritte via Social Media, Landingpage, Medien-Briefings. Medien brauchen in der Krise planbaren Content. Neben Tagesupdates boten wir Spezialthemen: Untersuchung des Spannstahls, Computermodellierung von Hochwasser mit aktuellen Barrieren, Brückenüberwachung mit Laser, Ampelprogrammierung.
Das positive Feedback zeigt: Das professionelle Handeln unserer Einsatzkräfte konnten wir erfolgreich vermitteln. Wichtig gerade bei Extremereignissen und Krise sind Glaubwürdigkeit und Transparenz. Vertrauen muss man sich verdienen. Stringent betreiben wir unsere Social-Media-Kanäle mit gutem Communitymanagement. Das geht nur mit Akzeptanz innerhalb der Verwaltung und mit ausreichend Ressourcen.
Die wichtigste Basis für unseren Erfolg sind gut funktionierende, reguläre Prozesse im Arbeitsalltag und ein gutes Miteinander der daran beteiligten Menschen. Unser Newsroom war im Mai 2024 gestartet. Damit hatten wir Ort und Workflow, um schnell Informationen abzugleichen, aufzubereiten und auszuspielen. Die exzellente Vernetzung der Pressestellen Feuerwehr und Stadt – lange vor dem Einsturz der Carolabrücke etabliert und gefestigt - hat unsere Arbeit effizienter gemacht und war gerade in dieser Krise ein großer Vorteil.
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Stadt Dresden
Barbara Knifka
Abteilungsleiterin Medien und Online im Amt für Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll
2024 amtierende Pressesprecherin der Landeshauptstadt Dresden
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Stadt Dresden
Michael Klahre
Pressesprecher der Feuerwehr Dresden
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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 4|2025, Schwerpunkt Bevölkerungsschutz