Städtetag aktuell 4|2025
25.08.2025

Bevölkerungsschutz ist kein Nice to have

Von Dr. Christine Wilcken, Deutscher Städtetag

Schon lange ist die Rede davon, dass Russland sich darauf vorbereitet, 2029 die NATO anzugreifen. Eine surreale Vorstellung und gleichzeitig ein realistisches Szenario. Schon jetzt sind Drohnen, Spionage, Sabotage Realität und die Sicherheitsbehörden wehren täglich Angriffe auf Deutschland ab. Der Zivil- und Katastrophenschutz ist zu Recht zu einem zentralen Handlungsfeld der Bundesregierung geworden. Aber nicht nur militärische Szenarien, auch Extremwetter oder Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur sind etwas, auf das wir uns viel stärker vorbereiten müssen.

Ohne die Städte läuft nichts

Die Städte sind zentrale Akteure im Bevölkerungsschutz. Hier leben die Menschen, hier ist die kritische Infrastruktur, hier liegen formale Zuständigkeiten. Kaum eine Krisenlage ist denkbar, bei der nicht die kommunale Ebene irgendwie operativ tätig werden muss. Die Städte bereiten sich längst auf Krisenszenarien vor – von längeren Stromausfällen bis zu Überschwemmungen. Mit regelmäßigen Warntagen wird für den Ernstfall geprobt. Viele Länder arbeiten daran, eigene 24/7-Krisenstäbe zu etablieren; für die Städte seit Corona und der Energiekrise übrigens eine Selbstverständlichkeit.

Das alles wird aber nicht reichen. Die möglichen Bedrohungen werden komplexer: mit Drohnen, Sabotage und Spionage. Außerdem müssen Schutzräume gesucht und vorbereitet werden. Die Diskussion über Schutzräume dauert viel zu lange. Regelmäßig landen Bürgeranfragen hierzu bei den Städten. Bund und Länder müssen klar sagen, welche Anforderungen Schutzräume erfüllen sollten und das auch finanziell unterstützen. Es macht einen Unterschied, ob wir über drei Stunden oder drei Tage Aufenthalt reden. Wir brauchen gewisse Vorgaben, aber auch ausreichend Gestaltungsspielräume.

Dasselbe gilt für digitale Prozesse und Lagebilder. Eine überregionale Krisen- oder Katastrophenlage kann nur dann effektiv bewältigt werden, wenn wir wissen, wie sich Lagen in den nächsten 48 Stunden entwickeln wird und welche materiellen und personellen Ressourcen verfügbar sind.

Es tut sich was im Bund: Ein Schutzraumkonzept ist für den Sommer angekündigt, ein bundesweites Ressourcenregister und ein digitales Lagebild werden aufgebaut. Die kommunale Ebene wird leider nur punktuell in die Prozesse eingebunden. Das reicht nicht.

Zusammenarbeit muss verbessert werden

Ein passendes Format gäbe es: die Bund-Länder Arbeitsgruppe zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit. Es wäre ein gutes Signal, die kommunalen Spitzenverbände in die AG einzuladen. Dass Bund und Länder Dinge verabreden und durchplanen und die Kommunen erst ganz am Ende eingebunden werden, halten wir nicht für richtig.

Ohnehin stellt sich die Frage, ob die bisherige scharfe Trennung von Katastrophenschutz und Zivilschutz noch zeitgemäß ist. Der Hauptausschuss des Deutschen Städtetag hat bereits vor drei Jahren eine Grundsatzdebatte angemahnt, ob diese starre Abgrenzung angesichts komplexer werdender Gefahren und Großschadenslagen so aufrechterhalten werden sollte. Es ist gut, dass die Initiative für einen handlungsfähigen Staat genau diese Frage aufwirft und neue Strukturen einfordert.

Bevölkerungsschutz geht nicht ohne die Bevölkerung

Insbesondere in komplexen Ereignissen, wie Naturkatastrophen oder Stromausfällen, sind wir auf die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung angewiesen. Wir müssen die Menschen wieder mehr dafür sensibilisieren, wie sie sich in einem Katastrophenfall verhalten und da-für selbst vorsorgen können. Hier sind auch Bund und Länder in der Pflicht. Auch die KRITIS Betreiber sind für ihre Krisenvorsorge verantwortlich.

Sondervermögen muss vor Ort ankommen

Mit dem Sondervermögen nimmt der Bund viel Geld auch für den Bevölkerungsschutz in die Hand. Für uns ist klar: Die Mittel müssen überwiegend vor Ort ankommen. Bislang fordern Bund und Länder von den Kommunen umfassende Schutzmaßnahmen, ohne zu sagen, wer es denn bezahlen soll. Dabei ist jeder investierte Euro in die kommunale Infrastruktur ein Beitrag für mehr Krisenresilienz. Denn gerade im Krisenfall muss der Alltag der Menschen weitergehen und funktionieren.

Fazit

Im Deutschen Städtetag haben wir uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Bevölkerungsschutz befasst, viele Sondersitzungen initiiert, einen eigenen Ausschuss ins Leben gerufen. Unser 10-Punkte-Papier zum Bevölkerungsschutz ist auf breite Resonanz gestoßen. Und unsere Online-Veranstaltung zu Schutzräumen mit über 500 kommunalen Vertreterinnen und Vertretern hat gezeigt, wie wichtig das Thema ist. Machen wir genau hier weiter.

Zum 10-Punkte-Papier Bevölkerungsschutz des Deutschen Städtetages

Dr. Christine Wilcken
Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutscher Städtetag und Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 4|2025, Schwerpunkt Bevölkerungsschutz

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