Bund-Länder-Treffen zu Asylpolitik
07.11.2023

Atmendes Finanzierungssystem ist gute Nachricht

Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages, nach der Ministerpräsidentenkonferenz zu Asylpolitik und Deutschlandticket

Zu den Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz zu Migration und Deutschlandticket sagte Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster:

  • Porträtbild von Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages

"Die gute Nachricht vom Bund-Länder-Treffen ist der Einstieg in ein atmendes System für die Finanzierung der Flüchtlingskosten mit einer Pro-Kopf-Pauschale vom Bund. Damit passt sich die Finanzierung den Flüchtlingszahlen automatisch an, wie die Städte es seit langem fordern."

Lewe weiter: "Wir sind aber skeptisch, ob die Höhe der Pro-Kopf-Pauschale von 7.500 Euro ausreichend ist. Die Mittel des Bundes müssen auf jeden Fall von den Ländern möglichst schnell und eins zu eins an die Städte weitergegeben werden. Und wenn die Unterstützung des Bundes für die Kommunen unterm Strich nicht reicht, sind die Länder in der Pflicht.

Ein zusätzlicher Wermutstropfen für die Städte ist: Die Pro-Kopf-Pauschale gilt nur für neu ankommende Geflüchtete. Die so dringend notwendigen Integrationsleistungen vor Ort, gerade für bereits hier lebende Geflüchtete, sind weiter nicht berücksichtigt.

Dass Asylbewerber künftig statt nach 18 erst nach 36 Monaten vom Asylbewerberleistungsgesetz in die reguläre Sozialhilfe kommen sollen, kann zur finanziellen Entlastung der Kommunen beitragen. Die Einsparungen, mit denen Bund und Länder dadurch rechnen, halten wir aber für sehr optimistisch. Wir schließen nicht aus, dass diese Maßnahme eine Auswirkung auf den Zuzug von Geflüchteten haben kann.

Es ist absolut richtig und längst überfällig, dass Asylverfahren beschleunigt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet schon zügig, aber die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern in einigen Ländern einfach viel zu lange. Auch die geplante Ausweitung von Migrations- und Rückführungsabkommen begrüßen die Städte.

Dabei gehört vor allem eine echte Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommens in den Fokus. Die Zahl von Geflüchteten, die aus oder über die Türkei nach Deutschland kommen, ist derzeit sehr hoch.

Bund und Länder wollen außerdem verschiedene rechtliche Hürden für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten senken. Das ist der richtige Ansatz.

Asylbewerber, die den Kommunen zugewiesen werden, sollten sofort arbeiten dürfen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Der Bund muss jetzt aber vor allem die Arbeitsagenturen und die Jobcenter finanziell deutlich besser ausstatten. Nur dann können sie Geflüchteten passende Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt anbieten und sie dann auch in Arbeit vermitteln.

Die geplante Bezahlkarte können sich die Städte gut vorstellen – wenn sie einfach handhabbar ist und bundesweit einheitlich gilt.

Bund und Länder müssen die Umsetzung eng mit den Kommunen abstimmen und die zusätzlichen Kosten übernehmen, damit der Aufwand wirklich sinkt und wir nicht am Ende mehr zu tun haben als vorher.

Dass die Entscheidung über die Zukunft des Deutschlandtickets erneut vertagt wurde, ist eine Farce. Jetzt wissen die kommunalen Verkehrsunternehmen knapp acht Wochen vor Jahresende immer noch nicht, womit sie ab Januar planen können. Wir sind weiter mitten in einer Hängepartie.

Jetzt sollen zwar Restmittel der Finanzierung aus 2023 auch im Jahr 2024 eingesetzt werden können, um einen Teil der Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen durch das Deutschlandticket auszugleichen. Das ist aber immer noch keine Garantie, dass das tatsächliche Defizit in 2024 und in den Folgejahren ausgeglichen wird. Damit ist das Deutschlandticket weiter in seiner Existenz gefährdet. Die Verkehrsverbünde und -unternehmen brauchen Planungssicherheit und den vollen Ausgleich der Defizite. Ein höherer Ticketpreis von 59 Euro ab 2024 ist schwer vermittelbar, denn die Abos sind erst im Mai abgeschlossen worden. Auch die Bürgerinnen und Bürger brauchen Verlässlichkeit."