Fachkräftegipfel der Bundesregierung
07.09.2022

"Fachkräftemangel trifft uns da, wo es weh tut"

Burkhard Jung, Vizepräsident des Deutschen Städtetages, zur Fachkräftestrategie des Bundes: Fachkräftestrategie nachschärfen und konkreter machen
  • Porträt von Burkhard Jung, von 2019 bis 2021 Präsident des Deutschen Städtetages, ab 2021 Vizepräsident

Zum heutigen Fachkräftegipfel zum Entwurf der Bundesregierung für eine neue Fachkräftestrategie sagte Burkhard Jung, Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister aus Leipzig:

"Der Fachkräftemangel trifft uns da, wo es weh tut: in Pflegeheimen, Krankenhäusern, in Kitas und Schulen. Auch im Verkehr, bei der IT oder in technischen Berufen sind hunderttausende Stellen unbesetzt. Das fordert uns als Gesellschaft heraus: Wer pflegt Kranke und Ältere? Wie sollen wir Bildungsgerechtigkeit für die Kinder erreichen, wenn Kita-Gruppen und Schulklassen immer größer werden? Wer setzt die Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer?

Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es ab 2025 rund 400.000 zusätzliche Erwerbstätige aus Handwerk und Technik. Wir stehen in den Städten vor einem Generationenwechsel. Wir verlieren gut ein Drittel der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in den nächsten 10 Jahren. Deshalb ist die Fachkräftestrategie der Bundessregierung so nötig und die Ziele richtig. Ja, wir müssen die jungen Leute begeistern und fit machen für den Arbeitsmarkt von morgen. Kein Kind sollte ohne Abschluss von der Schule gehen müssen. Die duale Berufsausbildung muss neu ausgerichtet werden für Berufsbilder im Klimaschutz, in Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Wir müssen flexible Arbeitsbedingungen schaffen. Der klassische 8-Stunden Tag im Büro ist spätestens seit der Corona-Pandemie nicht mehr überall zeitgemäß. Das Dienstrecht muss so modernisiert werden, dass Familie, Beruf, Freizeit besser zu vereinbaren sind. Und wir brauchen einen flexibleren Renten- und Pensionseintritt: Wer länger arbeiten möchte, sollte auch das unbürokratisch machen können.

Die Fachkräftestrategie beim Thema Zuwanderung muss nachgeschärft und viel konkreter werden. Wir brauchen helfende Hände aus dem Ausland.

Wir finden die Fachkräfte in Deutschland nicht und werden sie nicht kurzfristig ausbilden können. Vor allem braucht es einen klaren Plan, wie wir die Menschen, die von allein zu uns kommen, zu den Fachkräften von morgen machen. Bildungs- und Berufsabschlüsse und Berufserfahrungen müssen unbürokratisch anerkannt werden. Wir können nicht verlangen, dass Bewerber schon fließend Deutsch sprechen, bevor sie hierherkommen. Zusätzlich muss der Bund in anderen EU-Staaten und in Drittstaaten gezielt Fachkräfte besonders für soziale Berufe anwerben und vor Ort ausbilden.

Fachkräftesicherung kann nur gemeinsam gelingen. Die Städte sind bereit, ihren Beitrag zu leisten.“