"Das Entscheidende ist immer, wie Integration gelingt"
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Thomas Berberich
Mediengruppe Bayern: Zeigt die härtere Asylpolitik der Bundesregierung in den Kommunen Wirkung und wenn ja, in welchen Bereichen?
Christian Schuchardt: Bundesweit geht die Zahl der neuen Asylanträge sehr deutlich zurück. Die Gründe sind vielschichtig, von der Migrationspolitik der Bundesregierung bis hin zur veränderten Situation in Ländern wie Syrien. Die Städte spüren den Rückgang und können inzwischen einzelne Notunterkünfte schließen. Dazu gehören auch große Zeltunterkünfte in einigen Städten. Wir merken, dass sich etwas bewegt. Jetzt sollte schnell ein weiterer Baustein in der Migrationspolitik unter Dach und Fach gebracht werden, um diesen Trend zu verstärken.
Dafür muss jetzt das Gemeinsame Europäische Asylsystems (GEAS) in nationales Recht umgesetzt werden und sollte zügig den Bundestag passieren. Denn damit kann dann Migration innerhalb der EU besser gesteuert werden und eine Rückkehr zu den Dublin-Regelungen erscheint perspektivisch möglich.
Mediengruppe Bayern: Wirkt sich die abnehmende Zahl an Asylbewerbern auf die kommunalen Kosten dämpfend aus?
Christian Schuchardt: Immerhin etwas, aber nicht viel. Denn die Kosten werden lediglich nicht so dramatisch steigen wie in den letzten Jahren, aber kaum sinken. Die Städte müssen sich ja weiter um die Menschen kümmern, die bereits bei uns sind. Integration ist eine Aufgabe, die nicht in wenigen Monaten gelöst ist. Dabei kommt es auch auf die Länder an, wie konkret sie ihre Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Geflüchteten und Asylbewerbern unterstützen.
Mediengruppe Bayern: Hat die Migrationsentwicklung das Stadtbild deutscher Kommunen verändert?
Christian Schuchardt: Natürlich, aber das ist überhaupt nichts Neues. Seit Jahrhunderten leben Städte den Wandel. Das ist ihr Lebenselixier. Dazu gehört auch, dass neue Menschen zuziehen. Denken Sie zum Beispiel an die Hugenotten, die als Religionsflüchtlinge im 17. Jahrhundert neue Techniken und Handwerkskünste mitbrachten. Oder in den 1960ern die Gastarbeiter aus Italien und der Türkei, die hier heimisch wurden. Und natürlich gehören auch die aus Not geflüchteten Menschen aus Syrien oder der Ukraine inzwischen zu unseren Stadtbildern.
Das Entscheidende ist immer, wie Integration gelingt. Dazu gehört vor allem der Spracherwerb, dazu gehört die Integration durch Arbeit und dass die Kinder hier in die Kita und zur Schule gehen. Und dafür brauchen die Städte die nötigen Mittel von Bund und Ländern. Es fehlt Geld und teilweise auch Personal.
Mediengruppe Bayern: Wie entwickelt sich die Finanzlage der Städte generell, auch im Lichte der jüngsten Steuerschätzung?
Christian Schuchardt: Es bleibt bei Negativrekorden. Schon jetzt erleben wir ein noch nie da gewesenes Rekorddefizit in den Städten und Gemeinden, in diesem Jahr voraussichtlich über 30 Milliarden Euro. Und für die nächsten wird es noch mehr, wenn sich nichts ändert. Die Steuerschätzung hat die Erwartungen für die Kommunen großteils bestätigt. Die Lücke zwischen leicht verbesserten Einnahmen und stark steigenden Ausgaben weitet sich dramatisch. Der angekündigte Herbst der Reformen muss daher Ergebnisse bringen und die Kommunen finanziell entlasten. Drei Dinge sind für uns besonders wichtig:
Wir brauchen eine Entlastung der Städte bei den ständig wachsenden Sozialkosten. Wir brauchen eine Neuordnung der staatlichen Aufgaben, die die Städte entlastet. Und Entbürokratisierung und Digitalisierung müssen vorankommen.
Mediengruppe Bayern: Wir reagieren die Städte mit ihren Weihnachtsmärkten auf die Kostenexplosion durch hohen Sicherheitsaufwendungen?
Christian Schuchardt: Es ist wichtig, dass sich die Menschen auf Weihnachtsmärkten wohl und sicher fühlen können. Viele Städte haben in den vergangenen Jahren ihre Sicherheitskonzepte erweitert. Nicht erst nach dem schrecklichen Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr ist die Aufmerksamkeit dafür gewachsen. Die Veranstalter überprüfen derzeit mit den beteiligten Behörden, Sicherheitskräften und Marktstandbetreibern alle Vorkehrungen. Versenkbare Poller und Durchfahrtsperren an belebten Plätzen und Straßen gehören leider inzwischen genauso zum öffentlichen Bild von Weihnachtsmärkten wie der Einsatz von zivilen Fahndern. Im Einsatz sind auch mobile, flexible Barrieren. Das alles muss auch bezahlt werden. Die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen werden für die Städte, aber auch die Veranstalter mehr und mehr zu einem Problem. Besonders für kleinere Märkte sind sie ziemlich herausfordernd.
Wünschenswert wäre, dass die Länder auch hier mehr Verantwortung übernehmen für die enorm gestiegenen Sicherheitsanforderungen.
Weihnachtsmärkte und Stadtfeste sind Orte des Zusammenlebens und des Miteinanders. Das gehört zum typischen Charakter der Städte. Dieses Miteinander wollen wir uns nicht nehmen lassen.