Bildungsinfrastruktur
08.03.2022

Moderne Volkshochschulen – zentraler Bestandteil kommunaler Infrastruktur für Bildung

Fachbeitrag von Klaus Hebborn, Beigeordneter für Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung des Deutschen Städtetages in Hessische Blätter für Volksbildung – 2022/1

Einleitung

Die Bildungspolitik steht vor erheblichen Herausforderungen. Neben einem bedarfsgerechten und qualitätsvollen Bildungsangebot geht es um Fragen der Chancengerechtigkeit und Teilhabe in der Gesellschaft. Die in der Pandemie verstärkt sichtbar gewordenen Defizite und Probleme in der Bildung müssen umfassend angegangen werden. Bildungs- und Unterstützungsstrukturen gilt es dahingehend weiter zu entwickeln, um strukturelle Bildungsungerechtigkeit und gesellschaftliche Ungleichheiten möglichst weitgehend abzubauen.

Bedeutung und Engagement der Kommunen in der Bildung

Den Städten und Gemeinden kommt in der Bildung eine stark gewachsene und weiter zunehmende Bedeutung zu. Sie sind nicht nur Träger der öffentlichen Schulen und einer Vielzahl weiterer Bildungseinrichtungen; in der frühkindlichen Bildung, der Kinder- und Jugendhilfe und der kulturellen Bildung haben sie die volle Aufgabenverantwortung. Die Weiterbildung mit der Volkshochschule als kommunalem Weiterbildungszentrum bildet im Konzept der kommunalen Bildungslandschaft, das der Deutsche Städtetag 2007 in seiner Aachener Erklärung entwickelt hat, einen zentralen Baustein. Es geht zum einen darum, ein bedarfsgerechtes und vernetztes Bildungsangebot entlang der gesamten Bildungsbiografie zu schaffen. Zum anderen müssen Zugänge zu Bildung geebnet und Chancengerechtigkeit für alle gefördert werden. Hierfür bedarf es eines kommunalen Bildungsmanagements sowie eines Monitorings, das die Entwicklung in regelmäßigen Bildungsberichten dokumentiert und der Politik vor Ort als Steuerungsgrundlage dient.

Ausgangspunkt für erfolgreiche Bildungsverläufe in den verschiedenen Lebensphasen ist die örtliche Ebene. Hier entscheiden sich Erfolg oder Misserfolg von Bildung, werden die Grundlagen für berufliche Perspektiven, gesellschaftliche Teilhabe und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit einer Stadt gelegt. Die Städte sind von Fehlentwicklungen in der Bildung ebenso betroffen, wie sie von erfolgreicher Bildung profitieren. Nirgendwo sonst als in der Stadt, im Stadtteil, im unmittelbaren Wohnumfeld können Probleme besser identifiziert und zielgenau gelöst werden. Entsprechend hat sich vielerorts ein Perspektivwechsel vollzogen: Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen sowie die Erwachsenen- bzw. Weiterbildung sind zentrale Gestaltungsaufgaben zukunftsorientierter Kommunalpolitik. Gestaltung und Vernetzung stehen dabei im Mittelpunkt. Der Wechsel des kommunalen Aufgabenverständnisses erfolgt dabei vor allem aus der Erkenntnis, dass einem funktionierenden und modernen Bildungswesen sowie einem hohen Bildungsniveau eine zentrale Bedeutung für die Struktur- und Wirtschaftsentwicklung vor Ort zukommt.

Gleichwertige Bildungsverhältnisse und mehr Zusammenarbeit notwendig

Die Städte stoßen allerdings zunehmend an Grenzen, gute Rahmenbedingungen für erfolgreiche Bildung zu schaffen. Es fehlt an qualifiziertem Fachpersonal sowie an der notwendigen baulichen und digitalen Ausstattung der Bildungseinrichtungen. Sanierung und Modernisierung, die Anforderungen der Digitalisierung sowie neue bildungspolitische Anforderungen – wie der geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter und Inklusion – können von vielen Städten nicht im erforderlichen Maße und zeitnah bewerkstelligt werden. Laut dem KfW-Kommunalpanel 2021 ist der Investitionsrückstand der Kommunen im Bereich Schule und Erwachsenenbildung auf inzwischen 46,5 Milliarden Euro gewachsen, was einem Anteil von 31 % am gesamten Investitionsstau entspricht. Darüber hinaus sehen sich Städte zunehmend mit sozialräumlich konzentrierten Problemlagen und Armutsrisiken konfrontiert. Ohnehin bestehende enge finanzielle Handlungsspielräume haben sich durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie weiter verschärft. Bei notwendigen Bildungsinvestitionen droht eine noch größere Abhängigkeit von der jeweiligen Haushaltslage der Stadt, mit weitreichenden Folgen für individuelle Bildungsverläufe wie auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Damit die Städte ihre Verantwortung wahrnehmen und Gestaltungsmöglichkeiten in der Bildung nutzen können, müssen bildungspolitisch die Weichen für die Zukunft jetzt gestellt werden. Es bedarf insbesondere neuer Formen der Zusammenarbeit auf den verschiedenen staatlichen Ebenen, um Aufgaben und Anforderungen in der Bildung zukunftsorientiert bewältigen zu können.

Weiterbildung ist seit jeher eine kommunale Aufgabe

Die Aufgaben der Kommunen in der Weiterbildung werden maßgeblich bestimmt von den jeweiligen Weiterbildungs- bzw. Erwachsenenbildungsgesetzen der Länder. Die darin geregelten Finanzierungs- und Steuerungsmodelle sind von Land zu Land unterschiedlich. Je nach politischer Grundüberzeugung wird Weiterbildung entweder "staatsferner" organisiert oder stärker durch das jeweilige Land gesteuert. Süd­deutsche Länder wie beispielsweise Baden-Württemberg oder Bayern haben im Wesentlichen reine Finanzierungsgesetze mit einem allgemeinen Handlungsrahmen, innerhalb dessen die Weiterbildungsträger und -einrichtungen weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten haben. In anderen Ländern wie z. B. Nordrhein-Westfalen hingegen ist Weiterbildung kommunale Pflichtaufgabe, verbunden mit dem Auftrag einer quantitativen und inhaltlichen Grundversorgung.

Unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung war und ist Kommunalität ein wesentliches Merkmal der Weiterbildung in Deutschland. Städte, Kreise und Gemeinden haben die allgemeine und berufliche Weiterbildung, ausgehend von der Forderung nach einem öffentlichen Weiterbildungssystem, seit jeher als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger verstanden. Weiterbildung zählt somit zu den Aufgaben der vom Grundgesetz in Artikel 28 Abs. 2 garantierten kommunalen Selbstverwaltung.

Milliarden für die Modernisierung der Volkshochschulen notwendig

Die über 900 Volkshochschulen in Deutschland, die weit überwiegend von den Kommunen getragen und finanziert werden, fördern mit ihren flächendeckenden und niedrigschwelligen Angeboten gleichberechtigte Teilhabe und zielen darauf ab, vorhandene Benachteiligungen abzubauen. Volkshochschulen bieten Sprach-, Integrations- und Grundbildungskurse sowie eine Vielzahl von Angeboten allgemeiner und beruflicher Weiterbildung an. Mit ihren Angeboten leisten sie einen unverzichtbaren bildungs- und gesellschaftspolitischen Beitrag für individuelle Lebenschancen, für die Zukunftsfähigkeit der Städte sowie für Integration und das Zusammenleben vor Ort. Auch ihr Engagement in der politischen Bildung ist aus kommunaler Sicht mit Blick auf die lokale Demokratie von besonderer Bedeutung.

Die Städte haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, die Volkshochschulen zu modernisieren und für die Zukunft aufzustellen. Dabei sind in vielen Städten ambitionierte und moderne Bildungshäuser – zumeist zentral gelegen und gut erreichbar – entstanden. In ihnen werden neue Lernformen erprobt und umgesetzt, sie stellen auch Orte des öffentlichen Diskurses und der Begegnung dar. Dem Campusgedanken folgend sind Volkshochschulen vielerorts mit anderen Bildungseinrichtungen wie beispielsweise Stadtbibliotheken oder Musikschulen räumlich und personell vernetzt worden. Volkshochschulen werden somit in Stadtentwicklungskonzepte einbezogen. Darüber hinaus haben viele Volkshochschulen auch ihre Kooperationen mit den Schulen vor Ort intensiviert.

Trotz dieser positiven Entwicklungen bestehen vielerorts erhebliche Probleme im Hinblick auf die räumliche Situation, den baulich-energetischen Zustand der Gebäude und die technische Ausstattung. Wenngleich die KfW-Zahlen nicht zwischen Schulen und Volkshochschulen differenzieren, dürfte der Sanierungs- und Moder­nisierungsbedarf bundesweit in die Milliarden gehen. Insbesondere bei der Digitalisierung der Einrichtungen besteht insbesondere bei der notwendigen Breitbandanbindung, der technischen Infrastruktur, der Ausstattung mit Endgeräten und dem technischen Support akuter Handlungsbedarf. Wie im Schulbereich stellt gerade die Digitalisierung infrastrukturelle Erfordernisse auch an die Weiterbildungseinrichtungen. Diese Herausforderung gilt es, finanziell und organisatorisch zu bewältigen. Dabei ist klar, dass diese Aufgabe von den Kommunen allein nicht zu lösen sein wird, jedenfalls nicht flächendeckend und zeitnah.

Förderung der Weiterbildung durch Bund und Länder

Wenn es um den Erhalt und die (Weiter-)Entwicklung einer leistungsfähigen und bedarfsgerechten Bildungsinfrastruktur geht, sind aufgrund der föderalen Zuständigkeitsverteilung insbesondere die Länder gefordert. Sie müssen die Kommunen im Rahmen der Gemeindefinanzierung mit ausreichenden Finanzmitteln ausstatten, damit diese ihre Aufgaben zumal im Bereich der Infrastruktur bewältigen können. In der Weiterbildung sind die Länder aufgefordert, Volkshochschulen und anerkannte Weiterbildungseinrichtungen in anderer Trägerschaft bedarfsgerecht zu fördern. Dies betrifft die Grundförderung der Einrichtungen sowie die schulabschlussbezogenen Lehrgänge und Grundbildungsangebote. Zudem müssen außerschulische Bildungseinrichtungen wie Volkshochschulen, Bibliotheken oder Musikschulen an Infrastrukturprogrammen partizipieren können und dürfen nicht von der Förderung aus­geschlossen werden. In Analogie zum Digitalpakt für die Schulen sollte auch für Volkshochschulen und andere Bildungseinrichtungen ein entsprechender Förderrahmen unter Beteiligung des Bundes geschaffen werden. Deutschland braucht einen „Masterplan digitale Bildung“, der über die Schulen hinaus alle Bildungsbereiche erfasst. Darüber hinaus sollten auch Spielräume und Möglichkeiten für innovative Ansätze und Entwicklungen geschaffen werden. Ein Beispiel sind die im Zuge der Novellierung des Weiterbildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen neu geschaffenen Fonds für Innovation und Entwicklung, mit denen jeder Volkshochschule finanzielle Mittel für zukunftsgerichtete Projekte bereitgestellt werden. Dieser Weg sollte konsequent fortgesetzt werden.

Angesichts der gesamtstaatlichen Bedeutung von Bildung ist weitergehend auch ein verstärktes und dauerhaftes Engagement des Bundes in der Bildung notwendig. Mit der Schaffung des Artikel 104c im Grundgesetz sind Investitionshilfen des Bundes im Schulbereich ermöglicht worden. Diese Möglichkeit sollte auf alle Bildungsbereiche ausgeweitet werden. Der Deutsche Städtetag tritt in diesem Sinne dafür ein, das sogenannte Kooperationsverbot abzuschaffen und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu einem "kooperativen Föderalismus" weiterzuentwickeln. Darin einbezogen werden müssen auch die Kommunen. Leider ist festzustellen, dass richtungsweisende Gespräche wie etwa zur Digitalisierung der Schulen oder zum Ganztagsausbau i. d. R. zwischen Bund und Ländern stattfinden. Nach wie vor gibt es keine institutionalisierte und regelmäßige Form des Austauschs in der Bildung. Der Deutsche Städtetag bedauert das Scheitern des "Nationalen Bildungsrates". Im Hinblick auf die gesamtstaatliche Koordination bildungspolitischer Fragen und Initiativen halten die Städte ein regelmäßiges und verbindliches Format des Austausches auf der Bundesebene für notwendig, bei dem Bund, Länder und Kommunen gemeinsam Strategien zur Weiterentwicklung der Bildung erörtern. Nur durch Zusammenarbeit können zukunftsfähige Bildungsverhältnisse in Deutschland auf Dauer geschaffen werden.

Dieser Artikel erschien in:

Hessische Blätter für Volksbildung (HBV) – 2022 (1)
Hessischer Volkshochschulverband e. V. (hvv) (Hrsg.)
DOI: 10.3278/HBV2201W008
ISSN: 0018–103X

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