Europa und Internationales
11.04.2023

Europa News 2|2023

Die aktuelle Ausgabe widmet sich u. a. Wirtschaft: 30 Jahre europäischer Binnenmarkt, Digitales: Kommissionsvorschlag zum Gigabit-Infrastrukturgesetz, Klima: Gesetzesentwürfe zum Grünen Industrieplan und zur Reform des Strommarktes

Die Europa News des Deutschen Städtetages berichten über Neuigkeiten aus der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union sowie dem Ausschuss der Regionen, die aus kommunalpolitischer Perspektive interessant sind. Die aktuelle Ausgabe lesen Sie hier.

Inhaltsverzeichnis

Wirtschaft
  • 30 Jahre eropäischer Binnenmarkt

  •  

    Hochrangige Sitzung der "#CohesionAlliance" zur Zukunft der Kohäsionspolitik

  •  

    Vergaberecht: Änderung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung

  •  

    Aufruf zur Bewerbung für Preis "Europäische Innovationshauptstadt"

     

     

     

Digitales
  • Kommissionsvorschlag zum Gigabit-Infrastrukturgesetz

     

Verkehr
  • Gesetzespaket zur Verkehrssicherheit

Klima
  • Gesetzesentwürfe zum Grünen Industrieplan und zur Reform des Strommarktes vorgestellt

     

 

Ukraine
  •  

    Erklärung der kommunalen Spitzenverbände und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Ukraine

     

     

     

Migration
  •  

    Vorschlag zum Migrationsmanagement

     

Soziales
  •  

    Öffentliche Konsultation: Initiative zum Europäischen Behindertenausweis

  •  

    Lohntransparenz-Vorschlag vom Parlament gebilligt

     

     

Tipps & Hinweise
 

  • Index für regionale Wettbewerbsfähigkeit

Anhang
  • Auswahl von Stellungnahmen und Entschließungen des Europäischen Ausschusses der Regionen
    154. Plenartagung
  • Auswahl öffentlicher EU-Konsultationen

Wirtschaft

30 Jahre europäischer Binnenmarkt

Die Kommission hat am 16. März 2023 eine Mitteilung zu 30 Jahre-Binnenmarkt veröffentlicht. Die Mitteilung wird begleitet von zwei weiteren Dokumenten, eine Mitteilung über die langfristige Wettbewerbsperspektive und eine Mitteilung zum Öffentlichen Auftragswesen.

Der Binnenmarkt umfasst laut Kommission 23 Millionen Unternehmen, die fast 128 Millionen Menschen beschäftigen, und trägt zu einem strukturellen Anstieg des BIP der EU um etwa 9 % bei. Er bietet den Unternehmen Zugang zu einem Kundenstamm von mehr als 440 Millionen Menschen und bildet die Grundlage für grenzüberschreitendes Wachstum und Größenvorteile.

In der Mitteilung 30 Jahre Binnenmarkt stellt die Kommission zwei Schlüsselbereiche fest, für welche weitere Maßnahmen überlegt werden müssten:

  1. Durchsetzung der bestehenden Binnenmarktvorschriften und Beseitigung von Hindernissen auf der Ebene der Mitgliedstaaten
  2. Förderung der grünen und digitalen Dimension des Binnenmarktes als Quelle für Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Wirtschaftliche Hindernisse sieht die Kommission insbesondere bei der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen und in Sektoren mit dem größten wirtschaftlichen Integrationspotenzial wie dem Einzelhandel, dem Baugewerbe, Tourismus, Unternehmensdienstleistungen und erneuerbare Energien. Dabei sind 60 Prozent der Hindernisse für die Unternehmen die gleichen wie vor 20 Jahren. Diese Barrieren sind auf nationale Regularien und Verwaltungen zurückzuführen und müssen von den Mitgliedsstaaten angegangen werden. Die Kommission schlägt in ihrer Mitteilung unverbindlich vor, dass jeder EU-Staat ein Binnenmarktbüro eröffnet, um bei diesen Angelegenheiten Lösungen innerhalb des nationalen Entscheidungssystems vorzuschlagen.

In der Mitteilung zum Öffentlichen Auftragswesen blickt die Kommission auf die mehr als 250 000 öffentliche Stellen, die jährlich an die 2 Billionen EUR (etwa 13,6 Prozent des BIP) für die Beschaffung von Dienstleistungen, Bauleistungen und Waren ausgeben. Öffentliche Stellen sind in vielen Schlüsselbereichen wie Energie, Verkehr, Infrastruktur, Abfallwirtschaft, Sozialschutz, Gesundheit, Verteidigung oder Bildung die Hauptabnehmer. Das öffentliche Auftragswesen hält einen weitgehend brachliegenden Datenschatz für Steuerzahler, politische Entscheidungsträger und öffentliche Auftraggeber. Die Kommission stellt Argumente zusammen, warum der Zugang zu Daten des öffentlichen Auftragswesens und die Fähigkeit, sie zu analysieren, unerlässlich sind. Lediglich seien momentan die Daten von 20 Prozent aller Ausschreibungen von öffentlichen Auftraggebern zentral verfügbar. Die restlichen 80 Prozent liegen in unterschiedlichen Formaten auf nationaler oder regionaler Ebene verstreut.

Die Kommission stellt daher die Initiative für Daten über die Vergabe öffentlicher Aufträge vor, mit dem Ziel, das Potenzial der in der gesamten EU verfügbaren Daten mithilfe eines "Datenraums für das öffentliche Auftragswesen" ("Public Procurement Data Space", "PPDS") nutzbar zu machen. Hierbei handelt es sich um einen der ersten gemeinsamen, bereichsspezifischen Datenräume, die aus der europäischen Datenstrategie hervorgehen.

Der PPDS wird durch das Programm "Digitales Europa" finanziell unterstützt. Für die Jahre 2021 und 2022 wurden bereits 4 Millionen EUR gewährt. Sobald das System in Betrieb ist, werden sich die Betriebskosten auf EU-Ebene auf rund 500 000 EUR pro Jahr belaufen. Die Mitgliedstaaten tragen die Kosten für die Digitalisierung ihrer Systeme für das öffentliche Auftragswesen und die Anbindung ihrer Datenquellen an den PPDS selbst. Die Umsetzung des PPDS erfolgt schrittweise, sodass die Möglichkeit besteht, die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten und anderer Nutzer in speziellen Workshops zu erörtern und bei der Umsetzung zu berücksichtigen. Dieser kooperative Ansatz wird dazu beitragen, dass ein nützliches Produkt für die Beteiligten sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene entsteht.

 (fia)

Hochrangige Sitzung der "#CohesionAlliance" zur Zukunft der Kohäsionspolitik

Am 16. März 2023 fand im Europäischen Parlament eine hochrangige Veranstaltung der neuen "#CohesionAlliance" statt. Die Allianz war 2022 mit einer "Gemeinsamen Erklärung" erneuert worden und ist eine Bewegung von Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR), Verbänden sowie von Sozialpartnerinnen und -partnern und Vertretungen der Zivilgesellschaft, die für den Zusammenhalt als Grundwert der EU eintreten und sich für eine starke Kohäsionspolitik über 2027 hinaus einsetzen.

Bei der Veranstaltung wurde über die Zukunft der Kohäsionspolitik gesprochen und über die wichtigsten Herausforderungen und künftigen Ziele der Kohäsionspolitik, insbesondere im Hinblick auf die digitale und grüne Transformation und den demografischen Wandel diskutiert. Dabei wurde auch auf die Unterschiede der Europäischen Regionen hingewiesen. Alle Teilnehmenden sprachen sich dafür aus, dass die Kohäsionspolitik auch im nächsten europäischen Mehrjährigen Finanzrahmen eine große Rolle spielen solle.  

Vasco Alves Cordeiro, Präsident des AdR, erklärte: "Wenn wir die Kohäsionspolitik aufgeben, haben wir zwar immer noch eine Europäische Union, aber sie wird sich nicht mehr in der gleichen Weise weiterentwickeln. Die Ziele der Kohäsionspolitik sind immer der territoriale, wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt, aber der Kontext hat sich geändert.“  Die Kohäsionspolitik müsse angepasst und aktualisiert werden. Dabei solle es nach dem Präsidenten nicht nur um das Geld gehen.

Younous Omarjee, Vorsitzender des Ausschusses für regionale Entwicklung des Europäischen Parlaments, sagte: "Die Kohäsionspolitik ist ein Eckpfeiler der Politik der Europäischen Union, sie bringt Europa zusammen. Die neue Generation von Fonds soll den Regionen helfen, den grünen und digitalen Wandel zu vollziehen und das Entwicklungsgefälle in der EU zu verringern."

Nach der politischen Eröffnung wurde die Veranstaltung mit Expertenrunden fortgeführt. Das Programm und Videoaufnahmen können hier abgerufen werden. 

Die Allianz führt derzeit eine online Konsultation über die Zukunft der Kohäsionspolitik durch, bei der sich auch lokale Behörden beteiligen können. Die Umfrage kann in englischer Sprache hier beantwortet werden.  

(fia)

Vergaberecht: Änderung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung

Am 9. März 2023 hat die Europäische Kommission eine gezielte Änderung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung ("AGVO") gebilligt. Die neuen Bestimmungen berücksichtigen die vor kurzem vorgenommenen Änderungen verschiedener Beihilfeleitlinien, um sicherzustellen, dass die AGVO den ökologischen und den digitalen Wandel unterstützt.

Die überarbeitete AGVO umfasst folgende Neuerungen:

  • mehr Möglichkeiten zur Gewährung von Umweltschutz- und Energiebeihilfen, um beispielsweise den Ausbau erneuerbarer Energien, Dekarbonisierungsvorhaben, umweltfreundliche Mobilität und Biodiversität zu fördern und Investitionen in erneuerbaren Wasserstoff und die Steigerung der Energieeffizienz zu erleichtern
  • Erhöhung der Beihilfeintensitäten und Anhebung der Anmeldeschwellen, um die Durchführung bestimmter Vorhaben mit Beihilfeempfängern in mehreren Mitgliedstaaten, zum Beispiel von wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse ("IPCEI"), in den Bereichen Forschung und Entwicklung zu erleichtern
  • mehr Möglichkeiten für Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen in vielen Sektoren durch die Freistellung von Ausbildungsbeihilfen im Umfang von weniger als 3 Millionen Euro
  • Freistellung von Beihilfemaßnahmen der Mitgliedstaaten zur Regulierung der Energiepreise (z. B. der Preise für Strom, Gas und aus Erdgas oder Strom erzeugte Wärme)
  • deutliche Anhebung der Anmeldeschwellen für Umweltschutzbeihilfen sowie für Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation
  • Präzisierung und Straffung der Bestimmungen über Risikofinanzierungsbeihilfen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Unternehmensneugründungen sowie für aus dem Fonds "InvestEU" geförderte Finanzprodukte
  • Verlängerung der AGVO bis Ende 2026 aus Gründen der Rechtssicherheit und der Regulierungsstabilität
  • Anhebung der Schwellenwerte in der AGVO sogar über die konkret zu überprüfenden Bereiche hinaus, um der längeren Geltungsdauer der Vorschriften Rechnung zu tragen
  • Anpassung der AGVO-Bestimmungen an die neuen Regionalbeihilfeleitlinien, die Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien, die Risikofinanzierungsleitlinien, den Unionsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation und die Breitbandleitlinien

Nach Übersetzung des Textes in alle EU-Amtssprachen wird die Änderung förmlich angenommen. Sie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

(kue)

Aufruf zur Bewerbung für Preis "Europäische Innovationshauptstadt"

Am 8. März 2023 wurde zur Bewerbung für den jährlichen Anerkennungspreis des Europäische Innovationsrat (EIC) für die Auszeichnung "Europäische Innovationshauptstadt" ausgerufen. Der Preis wird europäischen Städten zuteil, die in einer besonderen Weise Innovationsförderung betreiben. Bis zum 29. Juni 2023, 17:00 Uhr MEZ ist der Aufruf zur Bewerbung für die Teilnahme geöffnet.

Der Preis "Europäische Innovationshauptstadt" (iCapital) wurde 2014 ins Leben gerufen und belohnt die Städte, die ihre Verwaltungspraktiken für Experimente öffnen, Innovationen fördern, Vorbildfunktion für andere Städte sind und die Grenzen der Technologie zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger erweitern. Ansätze, die dabei auch zu mehr Nachhaltigkeit und einem geringeren Ressourcenverbrauch beitragen, werden in besonderer Weise gewürdigt. Im Jahr 2021 wurde unter anderem die Stadt Dortmund mit dem Preis ausgezeichnet. Der Preis wird auf Basis des EIC-Arbeitsprogramm 2023 vergeben. Der EIC wurde wiederum unter dem europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe etabliert.

Dieses Jahr wird der Preis "Europäische Innovationshauptstadt" in zwei Kategorien vergeben:

  • Die Kategorie "Europäische Innovationshauptstadt" richtet sich an Städte mit mindestens 250.000 Einwohnerinnen und Einwohnern; der Gewinn wird mit 1 Million Euro und die beiden Zweitplatzierten mit je 100.000 Euro ausgezeichnet.
  • Die Kategorie "European Rising Innovative City" richtet sich an Städte mit 50.000 bis 249.999 Einwohnerinnen und Einwohnern; die Sieger-Stadt erhält 500.000 Euro und die beiden Zweitplatzierten je 50.000 Euro.

Weiterführende Informationen zum Aufruf des Europäischen Innovationsrates können interessierte Städte hier finden.

(fia)

Digitales

Kommissionsvorschlag zum Gigabit-Infrastrukturgesetz

Am 23. Februar 2023 hat die Europäische Kommission ihr neues "Konnektivitätspaket" vorgelegt, das unter anderem einen Vorschlag für ein Gigabit-Infrastrukturgesetz enthält.

Mit der Gigabit-Infrastrukturverordnung wird vorgeschlagen, die Breitband-Richtlinie 2014/61/EU zu überarbeiten, um dem wachsenden Bedarf von Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern an Festnetzen mit sehr hoher Kapazität Rechnung zu tragen. Die neue Verordnung betrifft hauptsächlich den Ausbau von Gigabit-Infrastrukturen mit sehr hoher Kapazität. Hauptziel der Verordnung ist die Verringerung des Verwaltungsaufwands für den Netzausbau, insbesondere die Straffung der Genehmigungsverfahren und die Begrenzung der Verwaltungsgebühren.

Mit der vorgeschlagenen Verordnung wird ein neues digitalisiertes Verfahren zur Einholung der einschlägigen Genehmigungen über eine einzige Informationsstelle auf nationaler Ebene eingeführt. Insbesondere wird gefordert, dass jeder Netzbetreiber das Recht hat, über eine einzige Informationsstelle in elektronischem Format Anträge auf Genehmigungen oder Wegerechte einzureichen und Informationen über den Stand der Bearbeitung seines Antrags abzurufen.

Aus diesem Verfahren ergibt sich für die lokalen Behörden die Verpflichtung, die Fertigstellung eines Genehmigungsantrags innerhalb von 15 Tagen zu bestätigen, wobei Anträge, die nicht innerhalb von vier Monaten beantwortet werden, als "stillschweigend genehmigt" gelten. Darüber hinaus soll festgelegt werden, dass Netzbetreiber und öffentliche Stellen, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren, Mindestinformationen einschließlich geografisch kodierter Informationen bereitstellen müssen, und zwar über eine zentrale Informationsstelle und in elektronischer Form.

Einschränkungen des Zugangs zu diesen Mindestinformationen sind beispielsweise aus Sicherheitsgründen oder für bestimmte Gebäudekategorien zulässig. Zugleich wird festgelegt, dass keine Verpflichtung zur Bereitstellung von Mindestinformationen besteht, wenn dies einer Kosten-Nutzen-Analyse zufolge unverhältnismäßig wäre.

Die Verordnung schreibt zudem vor, dass neu errichtete Gebäude oder Gebäude, die einer umfangreichen Renovierung unterzogen werden, mit gebäudeinternen physischen Infrastrukturen, Zugangspunkten und gebäudeinternen Glasfaserleitungen ausgestattet sein müssen. Dies gilt auch für Gebäude am Standort des Endnutzers, die zur Verbesserung der Energieeffizienz renoviert werden. Die Kommission argumentiert, dass dies günstiger wäre, als die Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt auszustatten. Ausnahmen von der Verpflichtung sind in Fällen möglich, wenn eine solche Gebäudeausstattung gemäß einer Kosten-Nutzen-Analyse für spezifische Standorte als unverhältnismäßig erachtet wird.

In ihrer Folgenabschätzung gibt die Kommission an, dass die neue Verordnung die erforderlichen öffentlichen Subventionen für den Netzausbau um 2,4 Milliarden Euro verringern kann. Allerdings werden in dem Dokument auch einmalige Kosten in Höhe von 55 Millionen Euro für lokale öffentliche Verwaltungen für Genehmigungsverfahren und digitalisierte Genehmigungsplattformen eingeräumt.

Der Vorschlag wird nun vom Europäischen Parlament und vom Rat beraten.

(fia)

Verkehr

Gesetzespaket zur Verkehrssicherheit

Die EU-Kommission hat ein Gesetzes- und Initiativpaket zur Verkehrssicherheit vorgelegt. Ziel ist es, schwere Verkehrsverstöße wie tödliches Rasen und Trunkenheit am Steuer stärker grenzüberschreitend zu verfolgen. So soll ein Fahrverbot künftig EU-weit greifen können. Bereits 2018 hatte die EU-Kommission mit dem Aktionsplan zur Verkehrssicherheit das Ziel ausgegeben, die Zahl der Toten und Schwerverletzten auf Europas Straßen bis 2030 um die Hälfte zu senken. Bis 2050 wird die "Vision Null" verfolgt: keine Toten im Straßenverkehr.

Das Gesetzespaket zur Verkehrssicherheit besteht aus einem Vorschlag, welcher die Richtlinie (EU) 2015/413 "zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte" überarbeiten soll, aus einer Revision der den Führerschein betreffenden EU-Richtlinien sowie einem neuen Vorschlag für eine Richtlinie über die unionsweite Wirkung bestimmter Entziehungen der Fahrerlaubnis.

Die Kommission schlägt u.a. einen digitalen Führerschein vor, um den grenzüberschreitenden Verkehr zu erleichtern. Wer weiter einen physischen Führerschein bevorzuge, kann diesen behalten, stellte Verkehrskommissarin Vălean klar.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden soll verbessert werden. Derzeit bleiben 40 Prozent schwerer grenzüberschreitender Verkehrsdelikte wie zu schnelles Fahren oder Alkohol am Steuer ungesühnt, weil der Fahrer oder die Fahrerin in einem anderen Mitgliedstaat wohnt. Künftig sollen die EU-Staaten bei der Ahndung schwerer Verstöße besser kooperieren. Bei Einzug des Führerscheins in einem Mitgliedstaat aufgrund eines schwerwiegenden Verkehrsdeliktes soll das Fahrverbot in der gesamten EU greifen.

(fia)

Klima

Gesetzesentwürfe zum Grünen Industrieplan und zur Reform des Strommarktes vorgestellt

Im Februar kündigte die Kommission auf Druck des Europäischen Rates ihren Grünen Industrieplan als Reaktion auf den US Inflation Reduction Act (s. auch Europa News 1/2023) an. Im März stellte die Kommission dazu erste Gesetzesentwürfe vor, welche der europäischen Industrie eine sichere Planung und vereinfachte Regeln zusichern sollen.

Die drei Rechtsakte umfassen

  • Netto-Null-Industriegesetz
  • Kritische Rohstoffe Initiative
  • EU-Strommarktreform

Teilweise waren die Gesetzesvorhaben bereits im Arbeitsprogramm 2023 angekündigt und werden nun dem Grünen Industrieplan zugeordnet. Die Vorschläge im Einzelnen:

1. Netto-Null-Industriegesetz

Als Verordnung wurde der "Net-Zero Industry Act" vorgeschlagen. Er soll einen Rechtsrahmen bilden, der es bis 2030 ermöglicht, dass im Schnitt 40 Prozent der grünen Schlüsseltechnologien aus der EU kommen soll. Die Kommission hat dabei festgelegt, welche grünen Schlüsseltechnologien in der Verordnung als "net-zero technologies" berücksichtigen werden. Netto-Null-Technologien umfassen unter anderem: Photovoltaik und Solarthermie, Onshore-Windkraft und erneuerbare Offshore-Energie, Batterien und Speicher, Wärmepumpen und Erdwärme, Elektrolyseure und Brennstoffzellen, Biogas/Biomethan, Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung sowie Netztechnologien, nachhaltige alternative Brennstofftechnologien und fortschrittliche Technologien für die Energieerzeugung aus Kernenergie mit minimalen Abfällen aus dem Brennstoffkreislauf, kleine modulare Reaktoren und entsprechende erstklassige Brennstoffe.

Durch die Verordnung sollen sich die regulativen Bedingungen für Hersteller dieser Technologien verbessern, zum Beispiel wenn sie die nötige Aufstockung der Produktionskapazität als sogenannte "net-zero technology manufacturing projects" bewerben. Diese Projekte sollen dann von kürzeren Genehmigungsfristen und strafferen Verfahren profitieren können. Eine vom Mitgliedsstaat eingesetzte Behörde soll als One-Stop-shop für die Hersteller und ihre Projekte zuständig sein. Diese Behörde kann auch Aufgaben an andere Behörden delegieren. Unter besonderen Vorrang fallen dann auch die "strategischen Netto-Null-Projekte". Diese Projektkategorie wurde von der Kommission geschaffen für Schlüsseltechnologien, die als wesentlich für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie angesehen werden, einschließlich Anlagen zur sicheren Speicherung von abgeschiedenen CO2-Emissionen.

Um die Diversifizierung des Angebots an Netto-Null-Technologien zu fördern, verpflichtet das Gesetz die Behörden, bei der öffentlichen Beschaffung oder bei Ausschreibung die Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien für Netto-Null-Technologien zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung betrifft Behörden, die für die Vergabe von Konzessionen, öffentliche Aufträge oder ähnliches verantwortlich sind. Ausnahmen sind unter bestimmten Bedingungen möglich.

2. Kritische Rohstoffe Initiative

Die Initiative besteht aus einer unverbindlichen Mitteilung und einem Vorschlag für eine Verordnung. In der Verordnung werden strategisch wichtige Rohstoffe gelistet, die kritisch für Schlüsseltechnologien sind. Die Verordnung schlägt Benchmarks für EU-Kapazitäten entlang der strategischen Rohstoffversorgungskette und für die Diversifizierung der EU-Versorgung bis 2030 vor:

So ist vorgesehen, dass mindestens 10 Prozent des Jahresverbrauchs der kritischen Rohstoffe in der EU gewonnen und mindestens 40 Prozent der kritischen Rohstoffe in der EU in Metall und andere Endprodukte verarbeitet werden. Mindestens 15 Prozent des Jahresverbrauchs der EU von kritischen Rohstoffen sollen über Recycling wiedergewonnen werden, und nicht mehr als 65 Prozent des Jahresverbrauchs der Union an jedem strategischen Rohstoff sollen aus einem einzigen Drittland stammen.

3. EU-Strommarktreform

Als Reaktion auf die Energiekrise hat sich die EU vorgenommen, das europäische Strommarktdesign zu reformieren. Hierfür legte die Kommission am 14. März eine Überarbeitung des europäischen Strommarktdesigns vor. Ziel der Reform ist es, den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie den Ausstieg aus dem Gas zu beschleunigen und die Haushalte vor Preisschwankungen für fossile Brennstoffe, künftigen Preisspitzen und Marktmanipulation zu schützen.

Im Zuge der vorgeschlagenen Reform sollen EU-Rechtsvorschriften wie die Elektrizitätsverordnung, die Elektrizitätsrichtlinie und die REMIT-Verordnung überarbeitet werden. Geplant sind ferner Anreize für längerfristige Verträge bei nichtfossiler Energieerzeugung sowie Maßnahmen, die sauberere flexible Lösungen wie Laststeuerung und Speicherung in das System bringen, um mit Gas konkurrieren zu können. An den grundlegenden Prinzipien des bestehenden Strommarktdesigns, insbesondere der Einschaltreihenfolge der Kraftwerke ("merit order") und dem Prinzip der Grenzkostenbepreisung ("marginal pricing") will die EU festhalten.

Bevor die Gesetzesvorschläge in Kraft treten können, müssen sie vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert und beschlossen werden.    

Ukraine

Erklärung der kommunalen Spitzenverbände und des Verbandes kommunaler Unternehmen zur Ukraine

Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) am 24. Februar 2023 eine gemeinsame Erklärung der deutschen Kommunen zum Wiederaufbau der Ukraine veröffentlicht. Darin bekräftigen sie ihre volle Unterstützung für die ukrainischen Kommunen und ihre Solidarität mit ukrainischen Partnern. Sie bekunden, die Ukraine auch in Zukunft beim Wiederaufbau und der Beseitigung der Kriegsfolgen zu unterstützen.
 
In ihrer Erklärung begrüßen die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der VKU den Appell der beiden Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und Wolodymyr Selenskyj, weitere kommunale Partnerschaften mit ukrainischen Kommunen und kommunalen Unternehmen zu begründen. Sie rufen dazu auf, einen einfachen Finanzierungsmechanismus für das deutsch-ukrainische kommunale Engagement, insbesondere für Partnerschaften und Kooperationen aufzubauen, Kommunen und kommunale Spitzenverbände aktiv, systematisch und frühzeitig in den Wiederaufbauprozess der Ukraine einzubinden sowie einen Preis für hervorragende und nachhaltige kommunale Partnerschaftsarbeit auszuloben.

Migration

Vorschlag zum Migrationsmanagement

Am 14. März 2023 präsentierte die Kommission in Form einer Mitteilung samt Anhängen den ersten mehrjährigen strategischen Politzyklus für ein integriertes europäisches Grenzmanagement (EIBM). Der Zyklus wurde in umfassender Konsultation mit allen EU-Organen erarbeitet und hat ein integriertes, europäisches Management der Außengrenzen zum Ziel, das den nationalen Grenzbehörden und Frontex für die nächsten 5 Jahre als Leitfaden dienen soll.

Eine der 15 Schlüsselprioritäten der Strategie besteht darin, ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem zu erstellen, bei dem die nationalen Behörden untereinander aber auch mit europäischen Agenturen (wie Frontex) kooperieren, um die Rückkehrquote der Geflüchteten zu erhöhen. Mit der Aktualisierung des Schengener Informationssystems vom 7. März können die Mitgliedstaaten nun die von anderen Mitgliedsstaaten erlassenen Rückkehrentscheidungen gegen Drittstaatsangehörige einsehen und anerkennen. Diese Vernetzung soll zur schnelleren, effizienteren und europaweiten Durchführung von Rückführungen führen. Auch hierbei soll Frontex die Mitgliedstaaten unterstützen. Laut Kommission sollen die Mitgliedsstaaten Anreize zur freiwilligen Rückkehr bereits während des Asylverfahrens anbieten.

Des Weiteren sollen die Grenzkontrollen in Zukunft "durch den Einsatz modernster Infrastruktur und eine wirksame Überwachung, wie Kameras und Drohnen, sowie kohärente und umfassende nationale Bestandsaufnahmen und Lagebilder, eine effiziente Umsetzung des Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR) und eine solide Risikoanalyse gewährleistet" werden. Die Zusammenarbeit mit Drittländern, insbesondere mit den Nachbarstaaten im Süden und Osten, soll intensiviert werden, um eine Kooperation in den Bereichen "Grenzkontrolle, Risikoanalyse, Rückkehr und Rückübernahme sowie Bekämpfung von Schleuserkriminalität beizutragen".

Die Kommission unterstreicht, dass der Schutz der Außengrenzen unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte erfolgen muss. Die Überwachungsmechanismen sollen sicherstellen, dass die nationalen und europäischen Akteurinnen und Akteure das EU-Recht einhalten. Die Kommission wird sie dabei unterstützen und zweckgebundene, finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Des Weiteren sollen die Mitgliedsstaaten jährlich Bericht über "die Zahl der gegenseitig anerkannten Rückkehrentscheidungen anderer Mitgliedstaaten" erstatten. 

(Kue / Koe)

Soziales

Öffentliche Konsultation: Initiative zum Europäischen Behindertenausweis

In ihrer Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 kündigte die Kommission an, bis Ende 2023 die Einführung eines Europäischen Behindertenausweises vorzuschlagen, der in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden soll.

Durch die gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus innerhalb der EU soll der Ausweis das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Freizügigkeit und Niederlassung in der gesamten EU fördern. Vorgeschlagen wird, auf den Erfahrungen mit dem EU-Parkausweis für Behinderte und dem Pilotprojekt zum EU-Behindertenausweis aufbauen.

Die Initiative fällt in die geteilte Zuständigkeit der EU. So betont die Kommission, dass das Subsidiaritätsprinzip und die nationalen Befugnisse in vollem Umfang gewahrt und der Europäische Behindertenausweis die nationalen Behindertenausweise nicht ersetzen wird. Das Tätigwerden auf EU-Ebene würde einheitliche Vorschriften mit sich bringen, die Ausstellung des Behindertenausweises erleichtern und die Wirksamkeit und Effizienz seiner Anerkennung durch ein europäisches Modell verbessern.

Im Rahmen einer Konsultation werden Stellungnahmen zu der neuen Initiative eingeholt, zum Beispiel zu den möglichen Dienstleistungsbereichen, die einbezogen werden könnten, und zur Option, den EU-Behindertenausweis des Pilotprojekts mit dem EU-Parkausweis zu einem einzigen Europäischen Behindertenausweis zusammenzufassen. Die Konsultation steht Interessierten bis zum 05. Mai 2023 offen.

Lohntransparenz-Vorschlag vom Parlament gebilligt

 

Das Europäische Parlament hat am 30. März 2023 den Kommissionsvorschlag zur Richtlinie für  Lohntransparenz gebilligt. Die neuen Vorschriften sollen für mehr Transparenz und eine wirksame Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer sorgen und den Zugang zur Justiz für Opfer von Lohndiskriminierung verbessern.

Zu den Maßnahmen im Rahmen der Lohntransparenz zählen verpflichtende Angaben zum Entgelt für Arbeitsuchende, das Recht auf Informationen über das Einkommen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gleiche Arbeit verrichten, sowie Berichterstattungspflichten im Hinblick auf geschlechtsspezifisches Lohngefälle für große Unternehmen. Die neuen Vorschriften stärken auch die Instrumente, mit denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Rechte geltend machen können, und erleichtern den Zugang zur Justiz. Arbeitgebenden wird es nicht gestattet sein, Arbeitsuchende nach ihrer früheren Vergütung zu befragen. Auch müssen sie künftig auf Anfrage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgeltbezogene anonymisierte Daten zur Verfügung stellen. Im Fall einer Lohndiskriminierung werden Arbeitnehmende Anspruch auf Entschädigung haben.  

Das Europäische Parlament und der Rat hatten bereits im Dezember 2022 eine politische Einigung auf die neuen Vorschriften über Lohntransparenz erzielt. Nachdem die Richtlinie vom Rat der EU endgültig angenommen, unterzeichnet und im Amtsblatt veröffentlicht sein wird, tritt sie 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.

(Kue)

 

 

Tipps & Hinweise

Index für regionale Wettbewerbsfähigkeit

Ende März 2023 hat die Kommission den Index für regionale Wettbewerbsfähigkeit (RCI) für 235 Regionen in der EU veröffentlicht. Mit dem 2010 eingeführten und alle drei Jahre veröffentlichten Index können EU-Regionen ihre Entwicklung im Zeitverlauf und im Vergleich zu anderen Regionen beobachten und bewerten. Er gilt als wichtiges Instrument, das die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen anhand von 68 Indikatoren aus einer europäischen Perspektive zeigt.

Dem aktuellen Index nach stehen EU-weit Utrecht und Südholland sowie die französische Hauptstadtregion Île-de-France an der Spitze. Die meisten deutschen Regionen liegen im oberen Drittel: Oberbayern liegt auf Platz 14, gefolgt von Hamburg (Platz 15), Düsseldorf (Platz 16), Köln (Platz 17) sowie Karlsruhe und Darmstadt (Platz 18 gleichauf). Zu den wettbewerbsschwächeren Regionen in Deutschland zählen Kassel (96), Weser-Ems (Platz 99), Mecklenburg-Vorpommern (Platz 103), und Sachsen-Anhalt (Platz 105). Einen Überblick aller Regionen gibt es hier.

(Kue)

Redaktion: Lina Furch (verantwortlich)
Autorinnen und Autoren: U. Fikar (fia),  A. Koep (koep), K. Kühne (kue)