Städtetagspräsident Markus Lewe:
02.04.2019

Städte engagieren sich gegen Armut – Bund und Länder sollten strukturschwache Städte und Regionen stärker fördern

Der Deutsche Städtetag appelliert vor dem Hintergrund eines Armutsberichts der Bertelsmann Stiftung an Bund und Länder, strukturschwache Städte und Regionen stärker zu fördern. Dazu müssten zum Beispiel die Mittel der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" deutlich ausgeweitet werden.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, erklärte nach einer Sitzung des Präsidiums in Bayreuth: "Armut zu bekämpfen, ist gerade in einem wohlhabenden Land wie Deutschland ein Muss. Die Städte engagieren sich hier mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie beteiligen sich zum Beispiel an der Finanzierung von Leistungen für Arbeitslose, Kinder und Jugendliche. Der Ausbau der Kinderbetreuung kommt auch Arbeitssuchenden, darunter vielen Alleinerziehenden zu Gute. Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wird durch spezielle Angebote und Deutschkurse forciert."

Die Städte können allerdings die eigentlichen Ursachen für Armut vielfach nicht lösen. Lewe forderte: "Um die Chancen auf Teilhabe zu stärken, muss ein breiter Ansatz verfolgt werden, etwa durch gute Bildung und durch eine intensive Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik. Außerdem ist es ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung, wenn die Kommunen gestärkt werden. Denn die Städte, die den größten Anteil von Sozialleistungsbeziehenden in der Bevölkerung haben, haben oft die größten finanziellen Probleme. Der Städtetag erwartet deshalb von Bund und Ländern, dass strukturschwache Städte und Regionen stärker gefördert werden. Dazu sollte zum Beispiel die 'Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur' ausgeweitet werden. Vor allem für die wirtschaftsnahe kommunale Infrastruktur in diesem Programm brauchen die Städte deutlich mehr Mittel, bisher stehen dafür im Bundeshaushalt jährlich nur 320 Millionen Euro zur Verfügung. Wir brauchen gleiche Zukunftschancen für alle Menschen, egal an welchem Ort sie leben. Dabei geht es um gute Bildung, soziale Teilhabe und um Leistungen der Daseinsvorsorge."

Der heute veröffentlichte Bericht zum Monitor Nachhaltige Kommune der Bertelsmann Stiftung untersucht, wie Kommunen das Thema Nachhaltigkeit sowie die Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen umsetzen. Der Bericht widmet sich in diesem Jahr dem Nachhaltigkeitsziel, Armut zu beenden. Armut ist in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung in deutschen Städten präsent. Langzeitarbeitslosigkeit und hohe Wohnkosten konzentrieren sich gerade in großen Städten und steigern das Armutsrisiko. Auch leben dort mehr Menschen ohne Schul- und Berufsabschlüsse oder ausreichende Deutschkenntnisse.

Lewe sagte: "Vor allem fehlende Qualifikationen verhindern, dass Menschen eine existenzsichernde Arbeit aufnehmen können. Vielerorts fehlen auch einfache Jobs für Geringqualifizierte. Bundesweit kann nahezu jeder zweite Arbeitslose mangels Qualifikation nur Helfertätigkeiten ausüben. Allerdings entspricht nur jeder siebte Arbeitsplatz diesem Niveau. Der Anteil von Menschen, die Sozialleistungen nach dem SGB II erhalten (Hartz IV) ist in den kreisfreien Städten und Stadtstaaten etwa doppelt so hoch wie in den Landkreisen. Berlin hat mehr SGB II-Bezieher als ganz Bayern. Das ist die größte Armutsfalle, denn Erwerbstätigkeit senkt das Armutsrisiko erheblich. Vor diesem Hintergrund ist es für den Wohlstand in Deutschland positiv, dass die Erwerbstätigenquote in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist."

Für Hilfeangebote über die Sozialleistungen hinaus setzen die Städte beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter für die Schuldner-, Pflege-, Gesundheitsberatung sowie als Ansprechpartner in Schulen ein. Außerdem praktizieren viele Städte bereits eine regelmäßige detaillierte Sozialberichterstattung, um ihre Maßnahmen zielgenau zu planen.