Energiesparen und Versorgungssicherheit
30.08.2022

Städte warnen: Unserer Gesellschaft droht eine Zerreißprobe

Deutscher Städtetag: Energiesparen ist Vorsorge für den Winter und hat Priorität

Die Städte warnen vor einer Zerreißprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch die Energiekrise. Sie erwarten rasch Antworten von Bund und Ländern, wie Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in den kommenden Monaten reduziert werden. Die Städte leisten ihren Beitrag und setzen wirksame Energiesparmaßnahmen konsequent um. Sie fordern Bund und Länder auf, die Risiken der Stadtwerke abzusichern.

  • Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, sagte:

"Gerade in schwierigen Zeiten müssen wir zusammenstehen. Die Energiekrise darf nicht zu einer Zerreißprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt werden. Wir brauchen einen Schulterschluss und eine klare Kommunikation. Die Menschen und die Unternehmen müssen wissen, was auf sie zukommt. Die Ampel diskutiert immer neue Entlastungen, statt sich zu einigen. Aber viele Menschen mit kleinen Einkommen drehen schon jeden Euro zweimal um. Sie brauchen jetzt eine Antwort, sonst wächst die Unruhe. Und innerhalb der Stadtgesellschaften brauchen wir die gemeinsame Verabredung mit den Unternehmen und Vereinen vor Ort: Alle müssen mitziehen."

20 Prozent weniger Gas sei ein ehrgeiziges Ziel. Aber es gebe eine große Bereitschaft, Energie zu sparen. Es sei gut, dass Bund, Länder und die Städte gemeinsame Einspar-Ziele verfolgen und die erste Rechtsverordnung dafür vorliege.

"Warmwasser, Klimatechnik, richtig eingestellte Heizungen, Temperaturen in Büros, Schwimmbädern und Sporthallen sind die wirksamsten Bereiche, um Energie zu sparen. Wenn das Sparen konkret wird, erleben wir natürlich auch Diskussionen und Widerspruch. Deshalb werben wir: In allen Bereichen müssen wir jetzt sparen und Energieschleudern ausmachen. Nur dann kommen wir gut durch den nächsten Winter. Wir wollen alles tun, damit Schulen und Kitas selbst bei einer Gas-Mangellage nicht schließen müssen. Wir wissen auch um die Bedeutung von Kultur und Sport. Trotzdem gilt: Auch dort muss Energie gespart werden durch verantwortungsvolles Handeln", sagte Lewe und verwies auf eine Übersicht mit Beispielen aus Städten.

Stadtwerke und Versorgungssicherheit absichern

Für die Stadtwerke sehen die Städte große Risiken durch die drastisch gestiegenen Energiepreise und eine erhebliche Zunahme von Zahlungsproblemen bei privaten Endkunden, Handwerksbetrieben oder Unternehmen. Zudem können die Stadtwerke stark gestiegene Einkaufspreise trotz Umlage nicht einfach weiterreichen.

Lewe warnte:

"Wenn Stadtwerke in eine existenzielle Schieflage geraten, dann drohen alle Leistungen der Daseinsvorsorge in den Städten abzurutschen, wie Wasser, Abwasser, Müllentsorgung und ÖPNV. Hier müssen Bund und Länder ein Sicherungsnetz spannen."

Deshalb fordern wir:

  • Stadtwerke gehören unter den Rettungsschirm für Unternehmen.
  • Liquiditätshilfen für Stadtwerke müssen möglich sein.
  • Die Gas-Umlage muss auch für Festpreisverträge und Fernwärme gelten.
  • Ein Insolvenzmoratorium auflegen, weil viele Forderungsausfälle zu befürchten sind.

Soziale Härten abfedern, weitere Entlastungen nötig

Die Städte blicken mit großen Sorgen auf die spürbaren sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Preisentwicklung. Diese werden als erstes in den Städten durchschlagen. Vor allem Niedrigverdiener, Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Azubis, Alleinerziehende und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen sind besonders betroffen.

  • Porträtbild von Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister aus Kiel

Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer aus Kiel, Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Städtetages, betonte:

"Sehr viele Haushalte geben schon jetzt alles Geld für ihren Lebensunterhalt aus, und oft reicht es nicht mal dazu. Bald schon sind hohe Abschlagszahlungen für Strom und Gas fällig. Der Bund muss verhindern, dass viele Menschen allein wegen hoher Energiepreise in die Grundsicherung rutschen. Für diese Menschen tragen wir Verantwortung."

Nötig sind aus Sicht der Städte:

  • Umgehend ein weiterer unbürokratischer Heizkostenzuschlag für Wohngeldempfänger und ein Kinderbonus vor dem Winter.
  • Reform des Wohngeldes unverzüglich angehen, damit bis zum Winter 2023 mehr Menschen Anspruch auf Wohngeld haben und Energiekosten berücksichtigt werden.
  • Schnelle Einigung zwischen Bund und Ländern auf attraktive Tickets für Bus und Bahn. Wir wollen Mobilität für alle und mehr Klimaschutz im Verkehr.

Vorbereiten auf Gasmangel

Die Städte tun alles, um das Ausrufen der Notfallstufe zu vermeiden. Dennoch bereiten sie sich gemeinsam mit ihren Krisenstäben bestmöglich vor: mit Katastrophenschützern und Feuerwehren, Stadtwerken und Netzbetreibern, Krankenhäusern und Fachleuten aus Sozial- und Gesundheitsämtern.

"Auch zwischen Bundesnetzagentur, Ländern und Kommunen müssen die Informationsketten funktionieren und Szenarien jetzt eingeübt werden. Zudem sollte die Bundesnetzagentur Kriterien für eine Reihenfolge beim Abschalten konkretisieren. Also zum Beispiel: Darf die Wäscherei des Krankenhauses am Netz bleiben? Welche Unternehmen sind lebensnotwendig? Dabei müssen Länder und Kommunen beteiligt werden."

Wie die Energiekrise kreative Initiativen beflügelt, zeigen verschiedene Städteeispiele: Unternehmen einer ganzen Region betreiben solidarische Vorsorge und stimmen sich ab, wer wann während der Heizperiode oder bei einer Gas-Mangellage auf Gas verzichten kann, etwa wegen Wartungsarbeiten oder Betriebsferien. So sollen Produktionsstopps verhindert und das Gasnetz stabilisiert werden.

"Solche Ideen haben das Zeug zur Blaupause, um das Abschalten von Gas zu verhindern", so Kämpfer. "Hier gilt – abschreiben ist das Gebot der Stunde".

Pressebilder

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    30.08.2022: Pressekonferenz des Deutschen Städtetages mit Städtetagspräsident Markus Lewe, Oberbürgermeister aus Münster
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    30.08.2022: Pressekonferenz des Deutschen Städtetages mit Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy
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    30.08.2022: Pressekonferenz des Deutschen Städtetages mit (v. l.) dem stellv. Städtetagspräsidenten Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister aus Kiel und Städtetagspräsident Markus Lewe, Oberbürgermeister aus Münster

Re-Live der Pressekonferenz des Deutschen Städtetages

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(Quelle: Phoenix)