"Die Sozialausgaben fressen uns auf"
Mit dem Mitteldeutschen Rundfunk sprach Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister aus Leipzig, über die Finanzlage der Kommunen in Deutschland. Vor dem Interview zeigte ein Beitrag am Beispiel Halle, wie sehr Sozialleistungen städtische Haushalte belasten und den Handlungsspielraum einschränken.
Mitteldeutscher Rundfunk: Ist die Situation in Halle, wie wir sie gerade gesehen haben, ein Sonderfall oder die Blaupause für andere deutsche Städte?
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Costa Belibasakis
Burkhard Jung: Das ist die Blaupause. Ich denke, dass wir deutschlandweit genau das beobachen können. Mittlerweile fressen die Sozialausgaben uns auf, und zwar von Bayern bis nach Hamburg – überall das gleiche Bild. Insofern keine Ausnahme, leider nein. 25 Milliarden letztes Jahr Defizit der Kommunen, dieses Jahr werden es über 30 Milliarden. Wir sind im tiefen Wasser.
Mitteldeutscher Rundfunk: Herr Jung, nun sind aber die Kommunen in Deutschland im großem Umfang dafür da, die Daseinsvorsorge von Bürgerinnen und Bürgern zu garantieren. Wann haben wir einen Punkt erreicht, wo das unter den aktuellen Gegebenheiten schlicht nicht mehr möglich ist?
Burkhard Jung: Vielfach erleben wir das jetzt schon, dass auch vermeintlich ganz reiche Kommunen – ich nenne mal die Stadt Heidelberg als Beispiel – keinen Haushalt mehr genehmigt kriegen, freiwillige Aufgaben zurückfahren, kürzen bei Kultur, bei Sport, bei Vereinsförderung und die Gestaltungsspielräume wirklich nachlassen. Und das ist das Thema: Menschen erleben den Staat in der Regel vor Ort in den Kommunen. Dort entsteht Vertrauen, dort wird auch die Handlungsfähigkeit des Staats beurteilt.
Wir brauchen dringend hier eine andere Finanzarchitektur in unserem Land, damit wir kommunal wieder agieren können und für die Menschen die Lebensqualität in den Kommunen steigern können.
Zum vollständigen Fernsehinterview mit Burkhard Jung auf www.mdr.de