Hauptausschuss
14.11.2019

Klimaschutz

Beschluss des Hauptausschusses des Deutschen Städtetages
  1. Die internationalen Klimaschutzziele des Pariser Abkommens sind eine verbindliche Grundlage für die deutsche Klimapolitik. Deshalb begrüßt der Deutsche Städtetag, dass die Bundesregierung erstmals ein Klimaschutzgesetz und ein Klimaschutzprogramm vorgelegt hat. Die Städte setzen sich seit langem für den Klimaschutz ein. Ihre ambitionierten Ziele zur CO2 Reduktion, die vielfach über die Ziele des Bundes hinausgehen, zum Klimaschutz, zur Energieeffizienz sowie zur Umsteuerung auf erneuerbare Energien verdeutlichen das große Engagement und die hohe Motivation zur Übernahme von Verantwortung beim Klimaschutz. Die Städte werden ihren Einsatz zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen noch weiter verstärken.
     
  2. Der Hauptausschuss stellt fest, dass das Klimaschutzprogramm 2030 und der Entwurf des Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung Ansätze enthalten, um den Klimaschutz in Deutschland voranzubringen. Die vorgesehenen Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um die international und auf europäischer Ebene vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Bei der Umsetzung des Klimaschutzprogramms und dessen Weiterentwicklung ist eine Einbeziehung der Städte in die den Prozess begleitenden Gremien zwingend erforderlich.
     
  3. Der Hauptausschuss unterstützt die im Klimaschutzgesetz vorgesehene Festschreibung von CO2 Einsparzielen für alle Sektoren und deren regelmäßige Überprüfung, um daraus Anpassungen bei den Maßnahmen zeitnah einleiten zu können.
     
  4. Der Hauptausschuss hält den langsamen Aufbau eines Zertifikatehandels für die Sektoren Verkehr und Wärme nur für einen ersten Schritt zu einer wirkungsvollen CO2-Bepreisung. Der Vorschlag der Bundesregierung, im Jahr 2021 mit 10 Euro/t CO2  zu beginnen, wird kurzfristig keine Verhaltensänderungen hervorrufen und damit nicht zur schnellen Einsparung von CO2 in den nächsten Jahren beitragen. Die Anreize zum Umstieg auf alternative Antriebe im Individualverkehr und zu mehr Investitionen zur Energieeffizienz sind gering. Daher spricht sich der Hauptausschuss entsprechend des Vorschlages vieler Sachverständiger für einen Einstiegspreis in der Größenordnung von 35 bis 50 Euro/t CO2 aus. Bei einer höheren CO2-Bepreisung dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Wirtschaft und Gewerbe nicht über Gebühr belastet werden. Ein Instrument, um dies zu gewährleisten, ist eine Klima-Pauschale, die einkommensbezogen ausgestaltet wird.
     
  5. Die vorgesehene Senkung der EEG-Umlage ist ein sinnvoller erster Schritt, um den sauberer werdenden Strom zu begünstigen. Dies ist allerdings nur ein Einstieg in die Umstellung des gesamten Abgaben- und Umlagensystems. Die Änderungen beim Wohngeld und im Mietrecht sind positiv; sie kommen gerade gering verdienenden Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute.
     
  6. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung, wie er von der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" vorgeschlagen worden ist, ist aus Sicht des Hauptausschusses zwingend notwendig und muss zeitnah auch durch energiewirtschaftlich Gesetze eingeleitet werden. Zudem ist ein weiterhin ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Energien unabweisbar, insbesondere der Photovoltaik und der Windenergie. Daher lehnt der Hauptausschuss die vorgesehene bundesweite Abstandsregelung für Windenergie an Land ab. Zudem muss die Stärkung der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und Umstellung auf Gas umgehend eingeleitet werden. Um Power-to-X und Speichertechnologien schneller zu etablieren, sollten diese sowohl über die Forschungsförderung als auch bei der Erlangung von Marktreife unterstützt werden.
     
  7. Die Vorschläge zur Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden sind richtig und greifen Vorschläge des Deutschen Städtetages auf. Der Aufbau eines einfachen und zielgenauen Bundesförderprogramms für effiziente Gebäude und der vorgeschlagene Mix aus steuerlicher Förderung, Zuschüssen und Kreditverbilligungen bieten gute Chancen, die energetische Gebäudesanierung voranzubringen. Bei der Weiterentwicklung der Gesetze zur Gebäudeenergie sollte der CO2-Ausstoß als Bemessungsgrundlage eingeführt und der Bezug zur Quartiersebene, zu den Lebenszykluskosten und zu den Energieversorgungsstrukturen verstärkt werden. Die vorgesehene Aufstockung des Förderprogramms „energetische Stadtsanierung“ ist für die Städte besonders wichtig, da eine alleinige energetische Optimierung von Einzelgebäuden nicht zielführend ist. Damit kann über integrierte Konzepte in mehr Stadtquartieren als bisher die energetische Gebäudesanierung vorangetrieben werden. Bei der Stärkung der Beratung zu mehr Energieeffizienz muss die Kompetenz der Kommunen und ihrer Stadtwerke besser berücksichtigt werden.
     
  8. Der Hauptausschuss begrüßt ausdrücklich die beabsichtigte stufenweise Anhebung der Mittel für die kommunale Verkehrsinfrastruktur durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) auf 2 Milliarden Euro. Dies entspricht einer langjährigen Forderung des Deutschen Städtetages. Sie muss schnellst möglich umgesetzt werden. Begrüßt werden ferner die vorgesehenen Sonderprogramme "Stadt" und "Land" im Radverkehr und zusätzliche Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV. Die Förderung alternativer Antriebe, die Erhöhung der Attraktivität der Bahn und die Umstellung der Kfz-Steuer reichen jedoch den vorliegenden Berechnungen der Nationale Plattform Mobilität (NPM) zufolge nicht aus, um die CO2-Einsparungsziele für den Verkehrsbereich zu erfüllen. Daher werden eine Verringerung der CO2-Emissionen und eine Kapazitätssteigerung des ÖPNV nur gelingen, wenn Bund und Länder auch die Modernisierung und Ergänzung des rollenden Materials erheblich unterstützen. Zudem muss die Modernisierung und klimaschonende Umrüstung von Bussen auf Elektromobilität, Wasserstoff und Gas zur Umsetzung der europäischen Vorschriften über saubere Fahrzeuge intensiviert werden. Schließlich wird im Ergebnis des angekündigten jahresweisen Monitorings nachgesteuert werden müssen. Hierbei wird es auf ein für die Einsparung von CO2-Emissionen wirksameres Verhältnis von fördernden und regulierenden Instrumenten ankommen, um die Einsparungsziele in den gesetzten Zeiträumen erreichen zu können.
     
  9. Der Hauptausschuss weist darauf hin, dass zur Erhöhung der Energieeffizienz in Industrie, Gewerbe und Handwerk die Erfahrungen und Kompetenzen der Wirtschaftsfördereinrichtungen in Kooperation mit den Stadtwerken und dem kommunalen Energiemanagement genutzt werden sollten. Zudem sollte eine verstärkte Förderung des Einsatzes industrieller und gewerblicher Abwärme in Nah- und Fernwärmenetzen erfolgen.
     
  10. Der Hauptausschuss sieht das Erfordernis, dass die Bundesregierung Kooperationen der Stadtwerke mit der Landwirtschaft und dem Gartenbau im Bereich der Energieeffizienz fördert.
     
  11. Der Hauptausschuss sieht Bund und Länder gefordert, das Engagement der Städte für eine nachhaltige Finanzwirtschaft zu unterstützen und sie in die konzeptionellen Überlegungen zur Sustainable Finance Strategie einzubeziehen. Zudem sollte der Bund gemeinsam mit den Städten die nachhaltige Beschaffung vorantreiben. Die vielfältigen Forschungsvorhaben des Bundes zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung sollten mehr als bisher auf die Erfordernisse der Städte zugeschnitten werden.
     
  12. Der Hauptausschuss begrüßt im Grundsatz die vorgesehene Finanzierung des Klimaschutzprogramms 2030, insbesondere die Stärkung des Energie- und Klimafonds. Die Kommunen sind in den zwischen Bund und Ländern vorgesehenen fairen Lastenausgleich bei allen finanzwirksamen Gesetzen unbedingt einzubeziehen. Daher wird die entsprechende Forderung des Bundesrates nachdrücklich unterstützt. Es muss sichergestellt werden, dass neben den vorgeschlagenen Maßnahmen auch die Förderprogramme, die die Städte bei ihrer ambitionierten Klimaschutzpolitik unterstützen, uneingeschränkt weitergeführt und – soweit nötig – verbessert werden. Zudem müssen Förderprogramme für die Anpassung an den Klimawandel verstärkt und besser auf finanzschwache Kommunen ausgerichtet werden.
     
  13. Der Hauptausschuss nimmt das Positionspapier zum Entwurf des Klimaschutzgesetzes und zum Klimaschutzprogramm 2030 zustimmend zur Kenntnis.