Präsidium
02.04.2019

Anforderungen an eine Weiterentwicklung des Personenbeförderungsgesetzes

Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages
  1. Der ÖPNV ist als Rückgrat einer nachhaltigen städtischen Mobilität zu modernisieren, auszubauen und zu sichern. Das Präsidium bekräftigt dazu seine Auffassung, wonach bei der Änderung des Personenbeförderungsrechts eine Stärkung der ÖPNV-Aufgabenträger durch Absicherung der Vergabe von Verkehrsleistungen – auch der Direktvergabe an ein kommunales Unternehmen – vorzusehen ist.
     
  2. Das Präsidium begrüßt, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zunächst Eckpunkte für eine Modernisierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) erstellt hat, um das Gesetz im gesellschaftlichen Konsens weiter auszuarbeiten. Das PBefG ist nach Auffassung des Präsidiums auf Grundlage praktischer Erkenntnisse mit Augenmaß weiter zu entwickeln. Gleiche Kriterien für gemeinwirtschaftliche und eigenwirtschaftliche Verkehre bei Umwelt- und Klimaschutz sowie sozialer Sicherung werden als wichtiger und richtiger Schritt angesehen. Eine Genehmigungspflicht von Vermittlungsplattformen und die Ausgestaltung der Planfeststellungsvorschriften unter dem Gesichtspunkt der Planungsbeschleunigung entsprechen den Forderungen des Deutschen Städtetages.
     
  3. Das Präsidium erkennt, dass die multimodale Verknüpfung von Verkehrsleistungen und die Digitalisierung im ÖPNV erhebliche Chancen für eine bessere und effizientere Mobilität bieten. Diese gilt es zu nutzen. Es wird begrüßt, dass an den bewährten Kategorien Taxi und Mietwagen und der Abgrenzung zwischen gewerblichen und nicht gewerblichen Verkehrsdienstleistungen festgehalten werden soll. Die Entwicklung neuer Vermittlungs- und Verkehrsdienste in Ergänzung zum ÖPNV wird zurzeit auf Grundlage der "Experimentierklausel" im PBefG vielerorts erprobt. Das Präsidium hält daher eine Aufhebung des Poolingverbots und die Abschaffung der Rückkehrpflicht beim Mietwagen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht. Es sollten allenfalls Ausnahmen unter klar definierten Anforderungen zugelassen werden. Die bisher im Eckpunktepapier vorgesehene Steuerungsmöglichkeit der Kommunen sieht das Präsidium als nicht ausreichend an, da die Eingriffsschwelle bedeutend zu hoch ist.
     
  4. Die Definition von neuen Angebotsformen als mögliche Sonderform des Linienverkehrs wird als geeignete Klarstellung und Fortentwicklung des Gesetzes angesehen. Ziel einer Modernisierung des Gesetzes muss es jedoch auch sein, bestehende nicht unerhebliche Risiken für die Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV durch solche neuen Angebotsformen zu minimieren. Ein Rosinenpicken bei der Organisation des ÖPNV als Daseinsvorsorge ist auszuschließen. Den Genehmigungsbehörden ist unter Beteiligung der ÖPNV-Aufgabenträger ein Entscheidungsermessen bezüglich der Zulassung neuer Verkehrsdienste einzuräumen. Dafür kann der Nahverkehrsplan als Grundlage dienen. Eine genehmigungsfreie Mitnahme sollte nicht oberhalb eines "Selbstkostenpreises" (z. B. 30 ct/km) ermöglicht werden.
     
  5. Das Präsidium unterstreicht vor dem Hintergrund des laufenden "Sofortprogramms Saubere Luft 2017 – 2020" die Bedeutung der Förderung von emissionsfreier Mobilität im ÖPNV für einen engagierten Umwelt- und Klimaschutz. Städte und Kommunen sind in die Lage zu versetzen, verbindliche Vorgaben und Emissionsgrenzwerte u. a. für Busse, Taxen und Mietwagen zu machen.
     
  6. Das Präsidium sieht es als geboten an, die Förderung nachhaltiger Mobilität von einem Gesamtkonzept des Bundes zu begleiten. Die Förderung der Digitalisierung der Verkehrssysteme darf sich nicht auf von Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdioxid betroffene Städte beschränken. Die Umsetzung einer Richtlinie für saubere Fahrzeuge der EU muss so erfolgen, dass Vergabequoten für saubere Fahrzeuge im Gesamtbestand nicht zu finanziellen Mehrbelastungen des ÖPNV führen. Sie müssen bei den Verkehrsunternehmen wirtschaftlich tragbar sein und dürfen das ÖPNV-Angebot nicht verteuern. Umwelt- und klimaschutzbedingte Mehrkosten sind durch Fördermittel auszugleichen. Mit technologieoffenen Vorgaben sind die Zielsetzungen der Luftreinhaltung im ÖPNV mit möglichst geringem Kostenaufwand herzustellen. Gleichzeitig ist in Deutschland die Förderung der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie für den Einsatz im ÖPNV weiter zu forcieren.