Nachtökonomie und Nachtkultur zur Belebung der Innenstädte
Innenstädte befinden sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess: Der Strukturwandel im Einzelhandel, veränderte Mobilitätsmuster, steigender Nutzungsdruck und Erwartungen an Sicherheit und Aufenthaltsqualität prägen ihre Zukunftsfähigkeit. Dabei wird zunehmend deutlich: Die Nacht ist kein Randbereich, sondern ein zentraler Baustein zukunftsgerichteter Stadtentwicklung.
Tag und Nacht zusammendenken
Das Nachtleben, dazu gehören Gastronomie, Clubs, Livemusikspielstätten und kreative Kulturformate, prägt die Innenstädte in den Abend- und Nachtstunden. Studien aus deutschen Städten, wie beispielsweise Stuttgart, zeigen: Es schafft substanzielle Wertschöpfung, stärkt die Standortattraktivität und zieht vielfältige Nutzer:innengruppen an. Trotz dieser Bedeutung wird die Nachtperspektive planerisch oft unzureichend berücksichtigt, was zu Nutzungskonflikten, Verdrängung, Lärmproblemen und sicherheitsbezogenen Herausforderungen führt. Viele Städte behandeln Tag und Nacht noch getrennt, doch nachhaltige Innenstadtentwicklung erfordert eine integrierte Sichtweise.
Strategische Handlungsfelder des Nachtlebens in Bezug auf Stadtentwicklung
- Städtebauliche und planerische Verankerung: Innenstädte benötigen Leitbilder, die Nachtkultur als Bestandteil urbaner Identität anerkennen. Mixed-Use-Strukturen, Lärmpräventionskonzepte sowie Schutzräume für Kulturorte schaffen langfristige Stabilität.
- Governance und Koordination: Das Nachtleben ist ein komplexes Ökosystem. Neue Verwaltungsposten wie die der Mitglieder der IG Nacht Konsil - Nachtmanager:innen, Nachtbeauftragte oder Koordinierungsstellen des Nachtlebens - ermöglichen es, Zielkonflikte zu moderieren, Prozesse zu bündeln und strategisch zu steuern.
- Sicherheit, Prävention und Resilienz: Sicherheit ist ein entscheidender Faktor urbaner Lebensqualität. Kommunen sollten sichere Heimwege, Präventionsarbeit und Awareness-Formate stärken. Programme wie Awarenessworkshops bilden Betreibende weiter, verantwortungsvoll und professionell auf Krisensituationen zu reagieren.
- Förderung und Schutz kultureller Vielfalt: Clubs und Livemusikspielstätten sind Kulturorte mit hoher gesellschaftlicher und ökonomischer Bedeutung. Rechtliche Schutzinstrumente wie Kulturschutzgebiete oder das "Agent of Change"-Prinzip sowie die Aktivierung von Leerständen können Innenstädte beleben und kulturelle Vielfalt sichern. Sogenannte Clubkataster ermöglich dabei die Sichtbarmachung von nachtkulturellen Orten im städtebaulichen Kontext.
- Mobilität und nächtliche Erreichbarkeit: Attraktive Städte und insbesondere deren Zentren brauchen nachts zuverlässige Mobilität: sichere Fuß- und Fahrradwege und gute An - und Abreisebedingungen für alle Mobilitätsarten, um Konflikte zu minimieren. Dabei sollten umweltfreundliche Fortbewegungsmittel wie der ÖPNV oder das Fahrrad im Fokus stehen.
Wirkmechanismen eines vitalen Nachtlebens
Nachtökonomie ist ein relevanter Wirtschaftsfaktor, generiert Arbeitsplätze, stärkt Gastronomie, Kultur- und Kreativwirtschaft und wirkt als Inkubator und Frequenzbringer in Zeiten rückläufiger klassischer Nutzungen wie dem Einzelhandel. Gleichzeitig fungiert Nachtkultur als soziale Infrastruktur: Einrichtungen des Nachtlebens sind oftmals niedrigschwellige Orte kultureller Teilhabe und sind identitätsstiftend für große Teile der Gesellschaft.
Da im Nachtleben Akteur:innen wie Anwohnende, Betreiber:innen, Polizei, Stadtplanung, Kultur- und Jugendarbeit sowie weitere aufeinandertreffen, entsteht hoher Koordinationsbedarf. Fehlt eine steuernde Struktur, entstehen Konflikte, die Verwaltung und Politik massiv binden können.
Erfahrungen aus deutschen Städten zeigen: Kommunen mit Nachtmanager:innen oder Koordinierungsstellen adressieren Herausforderungen klarer und aktivieren Potenziale wirksamer.
Innenstädte können langfristig nur funktionieren, wenn sie am Tag und in der Nacht attraktiv, sicher und vielfältig sind. Nachtökonomie und Nachtkultur sind strategische Hebel urbaner Zukunft. Beispiele aus Städten wie Mannheim, Münster, Jena oder auch Stuttgart zeigen, wie kommunale Strukturen, Förderprogramme und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Akteur:innen des Nachtlebens Mehrwerte für das nächtliche Leben generieren können.
Die Zukunft der Innenstadt entsteht an der Schnittstelle von Tag und Nacht. Kommunen, die diese Perspektive leben, stärken ihre wirtschaftliche Kraft, kulturelle Vielfalt und urbane Resilienz - und schaffen Innenstädte, die lebendig bleiben, bei Tag und bei Nacht!
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Anna Logue
Robert Gaa
Beauftragter für Nachtökonomie Stadt Mannheim
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Stadt Stuttgart
Maximilian Frey
Koordination Nachtleben Landeshauptstadt Stuttgart
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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 6|2025, Schwerpunkt Lebendige Innenstädte