Städtetag aktuell 6|2025
04.12.2025

Die Essenz der Stadt – die Stadtmarke als Chance

von Martin Knabenreich, Geschäftsführer Bielefeld Marketing GmbH

Wir haben ein Stadtwappen, wozu also eine Marke? Unsere Schulen sind baufällig, wer denkt da an Stadtmarketing? Wir haben genug Probleme, was kümmert uns die Wahrnehmung von außen? – Angesichts leerer Stadtsäckel sind dies nachvollziehbare und wichtige Fragen. Fragen gleichzeitig, in denen das Potenzial für einen Weckruf quer durch alle Bereiche der Stadtgesellschaft steckt. Mit Weitsicht beantwortet, können sie zu "Gamechangern" in einer Zeit großer Herausforderungen werden.

Die Idee des strategischen Stadtmarketings ist noch relativ jung. Viele Kommunen beschäftigen sich erst seit wenigen Jahren damit und stoßen zum Teil auf viele Missverständnisse. Muss eine Stadt ihre Marke "erfinden"? Wird sie zum schnöden Produkt und werden Bürgerinnen und Bürger zu bloßen Konsumenten? – Zeit, ein paar Dinge geradezurücken.

Die Realität sehen und nutzen

Städte sind von jeher mit Erwartungen verknüpft. War es früher ihre Rolle als Markt- und Handelsplatz, ihre Funktion als Ort des gesellschaftlichen Austausches oder schlicht der Schutz vor Feinden, so wecken Stadtnamen auch heute noch bestimmte Vorstellungen, Gewissheiten und Emotionen. Städte sind insofern längst Marken. Ihre Besonderheiten, Werte und Erkennungszeichen überdauern Legislaturperioden und sind geprägt von Ereignissen und Erfahrungen über Generationen hinweg.

Gutes strategisches Stadtmarketing "erfindet" daher keine neuen Erzählungen, sondern sammelt Wahrnehmungen der eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie den Blick von außen und filtert daraus die ganz eigene DNA der Stadt. Das Ergebnis hat nicht zuletzt ökonomische Bedeutung für die Stadt und kann wichtige Hinweise für erfolgreiche Kommunalpolitik geben, zeigt es doch den größten gemeinsamen Nenner der Stadtgesellschaft auf, gewissermaßen die Essenz der Stadt.

Mehr als ein Logo

Ein gutes, einprägsames Stadtlogo hilft enorm, die Identität mit der Heimat optisch auszudrücken und zu teilen, reicht allein aber nicht aus. Vielmehr geht es um reale verbindende Erlebnisse, Gefühle und Alltagserfahrungen. Gutes Stadtmarketing kann hier als Initiator und Verstärker funktionieren. Es kann Menschen zusammenbringen – einerseits mit Stadtfesten, Märkten und Großveranstaltungen, andererseits mit einem verbindenden, freundlichen Logo ohne hoheitliche, einschüchternde Autorität und einer konsistenten, menschlichen Kommunikation auf Augenhöhe.

Die Erfahrungen des Stadtmarketings in Bielefeld bestätigen dies. Galt die Stadt in der Außenwahrnehmung lange Zeit als unauffällig und die "Marke Bielefeld" als eigenschaftslos und blass, so setzten mit dem strategischen Markenprozess ab 2016 grundlegende Veränderungen ein. Im Rahmen von Beteiligungsformaten und Umfragen wurden die Stärken und Besonderheiten Bielefelds herausgearbeitet, auf die alle Kommunikationsmaßnahmen einzahlen sollen. Die gesamte städtische Kommunikation wurde überarbeitet und unter dem gemeinsamen Stadtlogo in ein einheitliches Erscheinungsbild gebracht. Marktforschungen zeigen heute eine enorme Zustimmung der Bevölkerung zur "Marke Bielefeld", eine annähernd hundertprozentige Bekanntheit des Stadtlogos und eine hohe Identifikation mit der Heimat. Man ist wieder stolz darauf, aus Bielefeld zu kommen und möchte das ausdrücken. Unterstützung kommt zugleich von anderen Marken der Stadt wie Arminia Bielefeld, der Uni Bielefeld oder namhaften Unternehmen wie Dr. Oetker, die sich mit der Stadtmarke verknüpfen und diese eigenständig transportieren und nutzen. Für den nachhaltigen Erfolg ist es entscheidend, wichtige Institutionen und Akteure zu identifizieren und ins Boot zu holen.

Dreiklang aus Stadtmarketing, Tourismus und Wirtschaftsförderung

Eine Stadt selbstbewusst und mit ihren Stärken zu kommunizieren, ist kein Selbstzweck. Es geht vielmehr darum, Menschen für die Stadt zu begeistern, seien es Studierende, Fachkräfte, Familien oder auch die, die schon seit Generationen vor Ort sind. Damit geht es um eine wichtige Form der kommunalen Daseinsfürsorge.

Dennoch werden oftmals auch enorme Ressourcen verschwendet. Deutschlandweit wird immer noch zwischen Tourismus, Stadtmarketing, Citymanagement und Wirtschaftsförderung unterschieden. Viele Städte gönnen sich dazu mehrere GmbHs nebeneinander, die im Grunde das Gleiche wollen.

Künftig werden die Grenzen zwischen Stadtmarketing für eine breite Zielgruppe und Standortmarketing für Investoren, Studierende und Fachkräfte sowie die Werbung um Touristen und Tagesbesucher weiter verschwimmen. Eine Stadt, die ihre Einwohner begeistert und zu Botschaftern macht, ist automatisch auch attraktiv für Besucher. Ein hoher Freizeitwert, Kultur, Natur und attraktive Innenstädte wirken auf Gäste, Einheimische und Investoren gleichermaßen anziehend. Aus der altbekannten "Tourist Information" wird eine "Freizeit- und Stadtinformation".

Erste Städte wie Münster fassen aktuell Konzepte zu einem gemeinsamen Destinationsmanagement zusammen. Die Interessen von Gästen und Einheimischen werden in Einklang gebracht und die Stadt als ein großes Ganzes begriffen, Synergien geschaffen und Ressourcen geschont. Dieser Entwicklung gehört die Zukunft: Eine selbstbewusste, konsistente Stadtkommunikation entlang der Stärken und Besonderheiten der Stadt für die verschiedenen Zielgruppen. Stadt-, Standort- und Tourismusmarketing, Citymanagement und Wirtschaftsförderung aus einer Hand und als eine zentrale Aufgabe einer Stadt.



Martin Knabenreich
Geschäftsführer Bielefeld Marketing GmbH

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Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 6|2025, Schwerpunkt Lebendige Innenstädte

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