Städtetag aktuell 6|2025
04.12.2025

Klimaanpassung als Chance für die Innenstadt

von Dr. Andrea Fischer-Hotzel und Daniela Michalski, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)

Die Ausgangslage: Große Bedeutung und hohe Betroffenheit

Innenstädte sind der Ursprung und das Herz einer Stadt. Sie sind ein wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Treffpunkt, an dem sich täglich viele Einwohner:innen und Tourist:innen aufhalten. Aufgrund der zahlreichen Nutzer:innen und der großen Angebotsvielfalt sind Innenstädte aber gleichzeitig auch die Orte in der Stadt, die am dichtesten bebaut und am stärksten versiegelt sind. Sie sind Hotspots an heißen Tagen und weisen bei Starkregen eine hohe Verwundbarkeit auf. Gebäude, Straßen und Plätze speichern hier die Wärme stärker als in anderen Stadtgebieten und verhindern, dass Regenwasser versickern oder verdunsten kann.

Potenzialraum Innenstadt: Hohe Wirksamkeit und zahlreiche Unterstützer:innen

Innenstädte besitzen trotz ihrer dichten Bebauung und der oftmals stark versiegelten Flächen besondere Potenziale für die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen: Begrünung, Schattenflächen, wasserdurchlässige Beläge, helle Oberflächenmaterialien und mehr Aufenthaltsorte im Freien – viele Menschen profitieren hier unmittelbar von Anpassungsmaßnahmen.

Innenstädte verfügen zudem über organisatorische und planerische Vorteile. Sie stehen meist im Fokus kommunaler Planung, sind häufig Gegenstand von Förderprogrammen wie beispielsweise der Städtebauförderung und profitieren von etablierten Netzwerken und Beteiligungsstrukturen. Zahlreiche Innenstadtakteure – von Geschäftsleuten über Gastronom:innen bis hin zu kulturellen Initiativen – haben ein großes Interesse an der Aufenthaltsqualität ihrer Innenstadt und lassen sich daher meist gut in kooperative Projekte einbinden. Denn begrünte Straßenräume, schattige Plätze und kühlere Aufenthaltszonen fördern nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Verweildauer und damit den lokalen Konsum.

Zahlreiche Herausforderungen: Flächenknappheit und Nutzungskonkurrenzen

Klimaanpassungsmaßnahmen sind in den Innenstädten jedoch mit großen Herausforderungen verbunden. Damit die Mobilitätswende gelingt, werden viele Flächen im öffentlichen Raum für den Fuß-, Rad- und öffentlichen Personennahverkehr benötigt. Eine Begrünung der öffentlichen Verkehrsräume ist daher nicht überall möglich. Auch setzen unterirdische Leitungen Begrünungsmaßnahmen Grenzen. Innerstädtische Nachverdichtung leistet einen Beitrag zum dringend benötigten Wohnraum, versiegelt aber Freiflächen. Bestandsgebäude stehen oft auch unter Denkmalschutz. Für die Klimaanpassung sind hier entsprechend kreative Lösungen gefragt.

Vorhandene Frei- und Grünflächen müssen gesichert und für die Klimaanpassung qualifiziert werden. Das kann beispielsweise gelingen, indem Uferbereiche an vorhandenen Gewässern neugestaltet und für den Aufenthalt erschlossen werden, wie es in der Stadt Siegen geschehen ist. Im Straßenraum können durch cleveres Parkraummanagement Flächen entlastet und für Entsiegelung und Begrünung verfügbar gemacht werden. Grundstücksübergreifende Lösungen ermöglichen eine effiziente Bewirtschaftung von Regenwasser, Schwammstadtelemente helfen, Wasser in der Stadt zu halten und für den Bedarfsfall nutzbar zu machen.

Bei Neubau und Sanierung sollten vertikale Begrünungen und Dachbegrünung zum Standard werden. Die Stadt Münster ist hier bereits vor Jahren mit gutem Beispiel vorangegangen. Das Neubauvorhaben am Alten Fischmarkt überzeugt mit einem Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Büro und Wohnen. Begehbare Dachgärten sind Teil des Konzepts und bieten Aufenthaltsqualität jenseits der belebten Straßen der Altstadt.

Dort, wo Entsiegelung und Begrünung nicht möglich ist, können mobile Stadtmöbel wie Sonnensegel, temporäre Mikroparks oder auch Sprühvernebler die Aufenthaltsqualität steigern. Viele Städte verfügen bereits über oft interaktive digitale Karten, in denen kühle Orte und Nachfüllstationen für Trinkwasser erfasst werden.

Das Ziel: Städte mit hoher Aufenthaltsqualität

Klimaanpassung in der City bedeutet nicht nur Bevölkerungsschutz vor den Folgen des Klimawandels, sondern auch eine Investition in die Lebensqualität der Stadtbewohner:innen. Doch auch wenn die Kommunen gut beraten sind, in die Klimaanpassung ihrer Innenstädte zu investieren, dürfen hochverdichtete Wohnquartiere mit nachweisbarem Freiraumdefizit nicht aus dem Blick geraten. Ziel ist es, nicht nur das Zentrum zu qualifizieren, sondern das gesamte Stadtgebiet zu einem klimaresilienten, auch noch in Zukunft lebenswerten Ort zu machen.



Dr. Andrea Fischer-Hotzel
Forschungsbereich Umwelt Deutsches Institut für Urbanistik



Daniela Michalski
Forschungsbereich Stadtentwicklung, Recht und Soziales Deutsches Institut für Urbanistik

Mehr lesen?

Dieser Text ist erschienen in Städtetag aktuell 6|2025, Schwerpunkt Lebendige Innenstädte

zum Heft