"Das macht Angst"
Eine neue Studie zeigt: Mehr als 60 Prozent der Politikerinnen und Politiker auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene haben schon mindestens einmal Aggression und Gewalt erfahren. Im Gespräch mit NDR Info sagte der Städtetagspräsident Burkhard Jung, der selbst schon Beleidigungen und Morddrohungen erlebt hat, dass diese Erlebnisse mittlerweile zur alltäglichen Wirklichkeit gehören – gerade auch von kommunalen Amts- und Mandatsträgern.
NDR Info: Worin sehen Sie die Ursachen darin, dass Politiker, kommunale Mandatsträger zunehmend Ziel von solchen Attacken sind?
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Michael Bader
Burkhard Jung: Wir haben diesen Ausbruch zum ersten Mal erlebt 2015 in der großen Debatte um die Flüchtlingsfragen.
Es spielen ohne Zweifel eine große Rolle die sozialen Netzwerke, in denen ich mich bewege. In denen sich Menschen einander austauschen, in den sich sozusagen eine Meinung, eine Haltung verstärkt, ohne dass es respektiert wird, dass es andere Meinungen gibt. Und daraus ensteht eine immer stärkere Auf-sich-Bezogenheit, eine immer stärkere Rechthaberei, die genährt wird durch die Bubbles, in denen man sich befindet.
Hinzu kommt die weitere Polarisierung, die Stärkung insbesondere auf der rechten Seite unserer politischen Ebenen. Vor allen Dingen erleben wir diese Gewalt auch von rechts.
(…) Neu ist, dass man im Alltag, in alltäglichen Auseinandersetzungen, insbesondere auf der kommunalen Ebene eine unglaubliche Schärfe erlebt, und das macht Angst. Ich glaube schon, dass wir unterscheiden können zwischen einer Wortdebatte und einer harten Meinungsauseinandersetzung oder dem Angriff auf die Persönlichkeit, die Entwürdigung, die Absicht jemanden zu beleidigen, klein zu machen, ihn zu bedrohen – das ist eine neue Situation, die insbesondere auch die Kommunalpolitik erreicht, die eigentlich immer dadurch gekennzeichnet war, nah am Bürger, dicht am Bürger zu sein.
NDR Info: Welche Folgen könnte es haben, wenn sich mehr Menschen von der kommunalen Politik abwenden, sich nicht mehr engagieren?
Burkhard Jung: Menschen ziehen sich zurück, meiden den direkten Bürgerkontakt, äußern sich weniger zu kontroversen Themen, lassen eher verlautbaren und nutzen selbst die sozialen Netzwerke anstatt in die persönliche Begegnung zu gehen. Das stimmt mich bedenklich. Und wenn ich weiß dass nur 30 Prozent meiner Kolleginnen und Kollegen dies Beleidigungen und Bedrohungen anzeigen, dann sind wir in einem Dunkelfeld, wo die Auswirkungen noch gar nicht richtig beschrieben worden sind, hinsichtlich zukünftiges Engagement.
Das macht wirklich Sorge, da sind wir alle gefordert. Das kann nicht nur die Polizei lösen, das können nicht nur die Staatsanwaltschaften lösen. Da müssen alle zivilgesellschaftlich dafür einstehen, dass wir, auch wenn wir andere Meinungen haben, für denjenigen mit seiner Überzeugung schützend eintreten, dass er sie äußern kann, so lange sich diese Meinung auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt.
Zum vollständigen Interview auf www.ndr.de