Flüchtlingslager Moria
14.09.2020

"Ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt"

Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages, gegenüber der Rheinischen Post

Der Präsident des Deutschen Städtetages und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung hält die Bereitschaft vieler Städte zur sofortigen Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria für ein "gutes Signal und einen Akt der Humanität". Die Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen durch mehrere EU-Staaten sei „ein erster richtiger Schritt", aber das reiche nicht aus, sagte Jung der "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). Er forderte schnell eine "menschliche" Lösung. Außerdem müsse eine dauerhafte Lösung in Europa gefunden werden – "hoffentlich noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft". Es müsse endlich einen fairen Verteilmechanismus für Flüchtlinge innerhalb der EU geben. "Für mich ist ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt hat", sagte Jung.

Die vollständigen Aussagen des Städtetagspräsidenten im Wortlaut:

"Es ist eine humanitäre Katastrophe, dass nun etwa 12.000 Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria auch dort keine Aufenthaltsmöglichkeit mehr haben. Diesen Menschen muss dringend geholfen werden. Ein Beitrag dazu ist die Hilfe, die die Bundesregierung zusammen mit deutschen Hilfsorganisationen vor Ort leisten will. Die Situation ist kritisch, wir brauchen jetzt schnell eine menschliche Lösung.

Die Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen durch mehrere EU-Staaten ist ein erster richtiger Schritt. In einer Koalition der Willigen auf europäischer Ebene voranzugehen, hilft. Aber das reicht nicht aus. Viele Städte in Deutschland haben sich zur sofortigen Aufnahme von Menschen bereit erklärt. Die Bereitschaft dieser Städte ist ein gutes Signal und ein Akt der Humanität. Und nach der Hilfe für die Menschen aus Moria muss eine dauerhafte Lösung in Europa gefunden werden. Es muss endlich einen fairen Verteilmechanismus für Flüchtlinge innerhalb der EU geben. Für mich ist ganz bitter, dass unser Europa an dieser Stelle bisher versagt hat.

Wir hoffen in den Städten sehr auf eine dauerhafte, nachhaltige und menschliche Lösung in der EU. Sie muss es jetzt schnell geben, hoffentlich noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Es geht nicht nur um eine Lösung für die Menschen aus dem Lager Moria, sondern insgesamt um den Umgang mit Geflüchteten in der Europäischen Union."