"Die Herausforderung bleibt vor allem die faire Verteilung"
PNP: Von über 80.000 Ukraine-Flüchtlingen ist bereits die Rede. Sind die Städte noch in der Lage, allen Menschen, die es wollen, Unterkunft und Hilfe anzubieten?
Helmut Dedy: Wir wollen alles dafür tun, damit wir das schaffen. Zudem haben wir eine sehr große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Zunächst war es so, dass die meisten Menschen aus der Ukraine ein konkretes Ziel hatten, nämlich bei Verwandten oder Freunden in Deutschland unterzukommen. Inzwischen kommen immer mehr Menschen, die eine Bleibe suchen. Deshalb geht es jetzt verstärkt darum, diese Flüchtlinge so unterzubringen, dass sie über das ganze Land verteilt werden.
Es braucht eine solidarische Aktion aller Städte und Gemeinden. Das aber setzt voraus, dass der Bund und die Länder bestimmte Verteilregeln in Kraft setzen. Das haben sie bisher noch nicht getan.
PNP: Sind bereits Grenzen der Aufnahmefähigkeit absehbar?
Helmut Dedy: Nein. Ich würde keinesfalls Bilder bemühen, wie dass bei uns das Boot voll wäre. Das wäre Quatsch. Wir kriegen das irgendwie hin. Die Herausforderung bleibt vor allem die faire Verteilung. Die Aufgabe für unser Land könnte größer werden als 2015.
PNP: Woran hapert es gerade am meisten, klappt die Koordination?
Helmut Dedy: Die Koordination ist besser geworden. Ich denke, Bund und Länder haben verstanden, dass das ein entscheidender Punkt ist. Wir müssen die große Aufnahmebereitschaft erhalten, die in der Gesellschaft da ist. Die Menschen, die kommen, müssen registriert und vom Bund fair auf die Länder und von den Ländern auf die Kommunen verteilt werden.
PNP: Sind die vielen Kinder und auch unbegleiteten Jugendlichen für Sie ein wachsendes Problem?
Helmut Dedy: Wir haben insgesamt sehr, sehr viele Kinder, die unter den Flüchtlingen sind. Sie alle müssen irgendwann in Schulen und Kitas kommen. Eine ganz große Herausforderung sind die unbegleiteten Minderjährigen, die in letzter Zeit verstärkt einreisen. Die brauchen besondere Betreuung.
PNP: Haben Bund und Länder auf ihre Forderung nach einem raschen Flüchtlingsgipfel geantwortet?
Helmut Dedy: Ich bin zuversichtlich, dass es zu einem Gipfel kommt. Aber das ist noch nicht in trockenen Tüchern. Von einem Gipfel brauchen wir eine Verständigung, was wir angesichts der unsicheren Dauer des Krieges an Unterbringungskapazitäten vorhalten wollen. Dann bedarf es einer Lösung der Verteilungsfrage. Und schließlich hätte ich gerne von Bundeskanzler Scholz die Aussage an Städte und Kommunen: Wir lassen euch nicht im Regen stehen.
Bund und Länder müssen dafür sorgen, dass wir nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
PNP: Befürchten Sie Probleme für die vielerorts angespannte Wohnungssituation durch den Zustrom von Flüchtlingen?
Helmut Dedy: Das hängt sehr von der Verteilungsfrage ab. Da, wo der Wohnungsmarkt zuvor schon sehr angespannt war, ist das ein Problem.
Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse, www.pnp.de