Schlussfolgerungen aus der Greensill-Affäre
Das Präsidium des Deutschen Städtetages hat sich mit den Konsequenzen aus der Greensill-Affäre für Kommunen befasst (436. Sitzung, am 27. April 2021) und u. a. betont, dass die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Greensill-Pleite zu analysieren und Handlungsnotwendigkeiten zu überprüfen sind. Dies gilt im Besonderen für das Agieren der Bankenaufsicht, der beauftragten Wirtschaftsprüfer, das Geschäftsgebaren von Finanzmaklern und mögliche Anlagealternativen.
Die aktuellen Bemühungen um eine Stärkung der Integrität der Finanzmärkte und eine Reform der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sollen dazu beitragen, den proaktiven Anlegerschutz gerade auch für kommunale Gebietskörperschaften zu verbessern. Das ist geboten: Zwar hat der BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler in der diesjährigen Jahrespressekonferenz betont, dass keine Systemkrise auf die deutschen Banken zukomme. Dennoch mahnte er. "Das eine oder andere Institut, das schon vor der Krise auf wackligen Beinen stand, übersteht die Pandemie möglicherweise nicht." (vgl. Pressemitteilung der BaFin)
So stellt sich grundsätzlich die Frage, wie kommunale Verluste bei Insolvenzen von Banken zukünftig vermieden werden können. Die Hauptgeschäftsstelle hat vor diesem Hintergrund den zuständigen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen um Unterstützung bei der Sondierung und der Schaffung tragfähiger Maßnahmen für einen proaktiven Schutz kommunaler Einlagen gebeten (vgl. Anlage 1).
Folgende Hinweise lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt vonseiten der Hauptgeschäftsstelle geben:
Rating der Greensill Bank AG war nicht verlässlich für die Risikobewertung
Die Hinweise auf einen möglichen Bilanzbetrug im konkreten Fall verdichten sich (vgl. https://dserver.bundestag.de). Nach Angaben der BaFin hat die Scope Ratings GmbH der Greensill Bank am 17. September 2020 ein Rating mit der Bewertung BBB+ ausgestellt (D.h. Kreditinstitute können z. B. im Fall einer Ratingbewertung von BBB+ für Risikopositionen mit einer Restlaufzeit von über drei Monaten ein Risikogewicht von 50 Prozent und für Risikopositionen mit einer Restlaufzeit von bis zu drei Monaten ein Risikogewicht von 20 Prozent anwenden).
Die BaFin wusste seit Juni 2020 von der parallelen Tätigkeit der Scope Ratings GmbH und ihrer Schwestergesellschaft Scope Risk Solution für die Greensill Bank. Während die eine Scope-Gesellschaft der Greensill Bank ein Rating erteilte, beriet die Scope-Schwestergesellschaft die Greensill Bank bei der Analyse (https://dserver.bundestag.de).
Keine monatliche Übersicht zu Ratingergebnissen bei der BaFin
Eine gesetzliche Verpflichtung für Ratingagenturen zur Übermittlung von Ratings an die BaFin besteht nicht. Eine solche Übermittlung erfolgt in der Praxis auch nicht auf freiwilliger Basis, so dass die BaFin hinsichtlich der Ratingergebnisse auf öffentlich zugängliche Informationen angewiesen ist. Eine vergleichende Auswertung öffentlich zugänglicher Ratings für alle privaten deutschen Banken wird bei der BaFin nicht auf Monatsbasis vorgenommen. (vgl. https://dserver.bundestag.de).
Keine Einlagensicherung für kommunale Einlagen bei privaten Banken
Insbesondere mit der Reform des freiwilligen Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. (BdB) haben sich die Rahmenbedingungen für die kommunalen Einlagen grundlegend geändert. Beim BdB sind die privaten Banken organisiert. Der gesetzliche und der freiwillige Einlagensicherungsfonds des BdB sind erstrangig in Insolvenzverfahren zu berücksichtigen. Kommunale Forderungen werden demgegenüber nachrangig berücksichtigt. Auch staatliche Einlagen sind seit 2017 bei privaten Banken nicht mehr gesichert.
Kommunen sind nicht von der gesetzlichen Einlagensicherung erfasst
Kommunen sind von der gesetzlichen Einlagensicherung ausgenommen [§ 6 Abs. 10 Einlagensicherungsgesetz (EinSiG)]. Das entspricht einer EU-weiten Regelung (Einlagensicherungsrichtlinie 2014/49/EU § 5).
Bestehende Sicherung kommunaler Einlagen
- Für die Sicherung kommunaler Einlagen sind die Institutssicherungen der Sparkassen-Finanzgruppe und die BVR-Sicherungseinrichtung von Bedeutung. Es liegt daher im kommunalen Interesse, dass die bestehenden Institutssicherungssysteme erhalten und weiter gestärkt werden.
- Beim freiwilligen Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. (ESF), dem derzeit sechs Banken angehören (vgl. https://www.voeb-es.de), sind kommunale Einlagen von der Sicherung erfasst. Auf Leistungen aus dem ESF besteht jedoch kein Rechtsanspruch.
Mögliche Alternative: Bargeldeinlagerung
Die VÖB-Service GmbH (eine 100 Prozent Tochter des Verbandes öffentlicher Banken) bietet gegenwärtig gegen Gebühren zinslose Bargeldeinlagerung und spezielle Tresorversicherungen nicht nur für Banken und Sparkassen, sondern wohl auch interessierten Kommunen an (siehe https://www.voeb-service.de).
Qualität der Beratung bei Wertpapieren
Kommunen sind (anders als Bund und Länder) von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Privatkunden im Sinne des § 31a Abs. 3 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingestuft (vgl. Anlage 2). Diese Einstufung besteht mit Blick auf den Kapitalmarkt. Damit sind hohe Anforderungen für die Anlageberatung von Kommunen formuliert. Privatanleger haben das höchste Schutzniveau. Dies kann zu Einschränkungen des Bieterkreises und der Anlagemöglichkeiten führen.
Interkommunale Darlehen
Ob die Vergabe interkommunaler Darlehen banken- und gemeinderechtlich zulässig ist, bedarf einer vorherigen Prüfung in jedem Einzelfall. Die BaFin prüft, ob das geplante Darlehensgeschäft der Erlaubnis bedarf.
Für Kommunen besteht (anders als für Bund und Länder) keine allgemeingesetzliche Ausnahme vom Anwendungsbereich des Kreditwesengesetzes (KWG). Kommunen dürfen sich gemäß den Gemeindeordnungen grundsätzlich nicht als Kreditinstitute betätigen. Ob interkommunale Darlehen bankenrechtlich zulässig sind, unterliegt dem Erlaubnisvorbehalt des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Die Vergabe interkommunaler Kredite ohne schriftliche Erlaubnis der BaFin nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ist grundsätzlich in zwei Fällen möglich: Zum einen, wenn die Vergabe des Kredits in Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfolgt, d. h. nicht auf privatrechtlicher Grundlage. Zum anderen, wenn Kredite nur in einem geringen Umfang unterhalb der Schwelle zur Gewerbsmäßigkeit vergeben werden (vgl. dazu: https://dserver.bundestag.de).
Kommunale Anlagerichtlinien werden fortgeschrieben
Die Auswahl der Geldanlagen liegt im Rahmen der kommunalen Finanzhoheit in der Eigenverantwortung der Kommunen. Nach den Vorgaben der Gemeindeordnungen ist dabei auf eine ausreichende Sicherheit zu achten und die Geldanlagen sollen einen angemessenen Ertrag erbringen. Den Kommunen steht ein Beurteilungsspielraum zu. Der Haushaltsgrundsatz "Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit" gilt generell. Zentral für kommunale Anlageentscheidungen ist die Sicherheit kommunaler Einlagen. Daneben geht es auch um Rentabilität und Liquidität. Immer wichtiger werden Fragen der Nachhaltigkeit bei der Anlage mittel- und langfristiger Gelder (vgl. unser Artikel vom 18.12.2020).
Sehr unterschiedlich fällt die Erlasslage in den einzelnen Ländern zur Möglichkeit einer Anlage von Kommunen in Aktien aus. Während in einzelnen Ländern die Anlage in Aktien und Aktienfonds nicht zugelassen ist, wird in anderen eine Beimischung von maximal 30 Prozent oder eine Anlage entsprechend den Regelungen wie bei Versicherungen als zulässig angesehen. Beispielsweise lassen die Regelungen für "Kommunale Kapitalanlagen" in NRW ein breites Anlagespektrum (auch eine Beimischung von Aktien) zu und folgen einem Portfolioansatz (vgl. https://recht.nrw.de). Im Erlass wird auf das Gesetz über die kommunalen Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen im Land Nordrhein-Westfalen bzw. auf das Versicherungsaufsichtsgesetz Bezug genommen.
Die Anlage von Kapital bei privaten Kreditinstituten wird nicht ausgeschlossen und ist – bei ausreichender Risikovorsorge – grundsätzlich möglich. Als "beherrschbar" sind Risiken eingestuft, sofern im Rahmen des gesamten Anlageportfolios ausreichende Vorsorge dafür getroffen wird, dass die betroffene Kommune es verkraften kann, wenn sich das Risiko einer einzelnen Anlage realisiert.
Über weitere Entwicklungen werden wir Sie informieren.
Anlagen
Bearbeitet von: Dr. Birgit Frischmuth
E-Mail: birgit.frischmuth@staedtetag.de
Aktenzeichen: 20.38.20 D, Dokumenten-Nr.: T 2158